Kaum bin ich geboren,

 bin ich doch schon ein Mann,

so das ich über 31 Tage,

das Jahr regieren kann.

Mein Pelz ist weiß und dick gewebt

ich lass die Seen frieren,

die Schlittenfahrt steht im Programm,

die Schimmel gehen zu Vieren.

Der Schneesturm ist mein bester Freund,

mag auch den Frost recht gerne.

Kommt erst der Frühling in das Land,

dann zieh ich in die Ferne.

Null Uhr – Geisterstunde, nur kommen heute die Geister nicht zur Ruhe, heute beginnt das neue Jahr. Von überall klingen die Kirchenglocken, Raketen steigen zu Unmengen in die Luft und erhellen den Himmel. Nur wenige Minuten ist das Neue Jahr alt. Was wird es uns wohl bringen? Jeder stellt seine Wünsche, seine Forderungen an die kommenden 12 Monate. Ich, der Januar, habe es am schwersten. Kaum geboren, werden mir Leistungen eines erwachsenen Mannes abverlangt. Für alles in meinen 31 Tagen werde ich verantwortlich gemacht. Da haben es meine Geschwister doch besser. Sie wachsen mit mir gemeinsam, wir wachsen alle miteinander. Wenn dann mein ältester Bruder, der Dezember, die Regierung übernimmt, ist er bereits ein alter Greis. Dann wird es Zeit das ein Neues Jahr die Führung übernimmt. Und so geht es immer, immer weiter, solange die Erde sich dreht.

Wenn ich meine Amtszeit beginne, haben die Menschen viele Feste hinter sich. Die vier Adventssonntage, das Weihnachtsfest und nicht zu vergessen Sylvester. Sie haben gefeiert, getanzt und gelacht, nun sind sie müde und möchten sich ausruhen. Deshalb habe ich in die 31 Tage meiner Regierungszeit keine Feste eingebaut. „Halt!“ höre ich da einen von euch rufen. Ganz richtig, auch ich, der Januar, habe meine Feste. An jedem Tag eins, denn jeden Tag hat einer von euch Geburtstag und darauf wollen wir uns freuen.

Sicher feiert es sich besser im Juli oder August bei einem Grillfest im Garten, aber das kann jeder haben. Habt ihr schon mal in einer Baude euren Geburtstag gefeiert, habt dort eine Pferdeschlittenfahrt unternommen? Sicher nicht! Es ist ein unvergessliches Erlebnis, sage ich euch.

Ich bringe auch Geschenke mit. Ich lasse die Seen zufrieren, so fest, das man die schönsten Spiele auf dem Eis vollführen kann. Wer dann noch Lust hat, kann am Rande der Eisbahn den schönsten Schneemann oder einen Iglu bauen. Sollte irgendjemand dann noch langweilig sein, dann gibt es sicher nichts Schöneres als sich von Oma oder Mutti im warmen Stübchen ein Märchen vorlesen zu lassen.

Hier habe ich euch gleich eins mitgebracht. 

 

Der Zaubertrunk

 

Tief lag die Natur vom Schnee zugedeckt. Eiszapfen hingen von den Dächern. Schon zeitig wurde es dunkel, da die Raunächte ihren Höhepunkt erreichten. „Können wir nach dem Kaffeetrinken noch ein wenig rausgehen?“ Gerd schaut seine Mutti bittend an. „Gut eine halbe Stunde noch, aber Punkt vier Uhr seit ihr wieder drin. Ihr wisst, dass ich es nicht mag, wenn ihr im Dunklen alleine draußen seid.“  „Wir gehen doch nur auf dem Hang hinter dem Haus rodeln.“ „Na, dann mal los, zieht euch warm an und Bahn frei!“ munterte die Mutti nun ihre Beiden auf.

Gleich hinter dem Haus verlief der Tannenwald. Hier gab es die schönsten Hügel zum Rodeln. Beide Jungen holten ihre Schlitten und los ging es in den Wald. Man sah durch den bedeckten Himmel, kaum die Hand vor Augen so dunkel war es schon an diesem Tag. Nur der Schnee leuchtete den Kindern. Rolf fuhr als erster den Hang hinunter. Gerd folgte ihm. Sein Schlitten war noch etwas schneller und glitt noch weiter. Wieder ging es den Berg hinauf. Schnell wie im Fluge verging die Zeit, „noch eine Runde, dann müssen wir rein“ mahnte Gerd den Bruder, obwohl es ihm schwerfiel schon nach Hause zu gehen. Wieder war Rolf der erste mit seinem Schlitten. Als Gerd ihm folgte, kam sein Schlitten plötzlich von der Bahn ab. Er konnte lenken soviel er wollte, der Schlitten fuhr wie von selbst in eine andere Richtung. „Hilfe!“, rief Gerd noch, sein Bruder konnte ihn jedoch nicht mehr hören. Erst wartete er unten auf Gerd, um zu sehen, wer am weitesten fuhr, das war für die Beiden stets wichtig. Es war wie ein Kräftemessen. Als er dann jedoch merkte, das Gerd nicht kam, lief er noch einmal den Hang hinauf um zu sehen, was mit seinem Bruder los sei. „Gerd, wo bist du?“, rief er in die Dunkelheit, erhielt jedoch keine Antwort. Aufgeregt kam er zur Mutti gerannt „Ich finde es nicht in Ordnung, dass Gerd schon reinkam, obwohl er mir noch eine Runde versprochen hatte!“ „Ich verstehe dich nicht Rolf, Gerd ist nicht hier drin. Seid ihr nicht gemeinsam gerodelt? Wo ist Gerd?“ Nun erzählte Rolf, was geschehen war. Mutter holte eine große Taschenlampe und beide machten sich auf die Suche. „Komm mit Flik!“ forderte Mutti noch ihren Hund zur Suche auf. Zu dritt ging es erst noch einmal den Abhang hinauf, hier war jedoch Gerd nicht. Langsam gingen sie den Weg wieder hinab und leuchteten beide Seiten des Hanges mit der Taschenlampe aus. Flik schnüffelte mit seiner kleinen Nase so gut er konnte. „Dort!“, rief Rolf ganz aufgeregt. „Dort ist eine Spur!“ „Wir sind nie vom Wege abgekommen, wie konnte das nur passieren?“ Vorsichtig und so schnell sie konnten, folgten sie der Spur, von Tanne zu Tanne um nicht abzurutschen. Doch schon nach ein paar Metern, war die Spur wie vom Erdboden verschluckt. Nirgends ging es weiter, soviel die drei auch suchten. Flik wollte sich mit seiner Schnauze in den Schnee buddeln. „Wir müssen wieder nach Hause und warten bis Vater kommt“ meinte Mutter sehr traurig. Auch Rolf hatte die Sprache verloren und hätte gern den Rodelnachmittag rückgängig gemacht.

Gerd war mit seinem Schlitten direkt in einer Schneewehe gelandet. Doch anstatt, dass der Schlitten nun stehen blieb, fuhr er durch die Wehe hindurch als sei sie nur ein Eingang in eine andere Welt. So war es dann auch. Einen winzigen Moment hatte Gerd die Augen voller Schnee, als er  sich diesen aus den Augen rieb, bemerkte er, dass er sich in einer riesigen Höhle  befand. Baff vor Staunen sah er sich erst einmal um. Da kam auch schon ein kleines Männchen auf ihn zu und bot ihm einen Erfrischungstrunk auf den Schreck an. Gerd war fast starr vor Schreck und nahm ohne zu denken an. „Wo sind wir?!“ Wollte er dann wissen. „Du bist bei den Wurzelmännchen. Wir wohnen unter der Erde, erleben hier die Jahreszeiten und gestalten hier unser Leben!“ Nun sah sich Gerd etwas um. Ameisen wuselten hin und her. Eine Spinne hing träumend in ihrem Netz. Vater Maulwurf schlief fest im Winterschlaf. Gerd ging weiter und sah eine kleine Welt für sich,  alles war wie im richtigen Leben. Es wurde geschafft und ausgeruht. Gerd gefiel es hier unten. Durch seinen Trunk vergaß er schnell sein zu Hause und lebte sich schnell hier ein. Eines Tages kam ein Käfer auf ihn zu „was machst du hier? Willst du denn gar nicht mehr nach Hause?“ „Nach Hause? Wo ist das? Muss ich das wissen?“, fragte Gerd den kleinen Käfer. „Oh, ich hatte es fast erwartet. Du hast den Tunk sofort zu dir genommen. Dann ist dir nicht zu helfen, du musst ein Jahr bei den Wurzelmännchen bleiben!“  „Was soll das heißen?“, staunte Gerd. „Das kann ich dir jetzt nicht erklären, du würdest es nicht verstehen. Im Herbst komme ich wieder, dann erkläre ich es dir.“ Kaum hatte der kleine Käfer ausgesprochen, erhob er sich in die Lüfte und ließ Gerd mit seinen Fragen stehen.

Zu Hause hatte die ganze Familie verzweifelt nach Gerd gesucht, leider vergebens. Traurig dachten sie immer wieder an ihn, ohne jedoch eine Spur von ihm zu haben. Noch mehrmals wollte Flik seine Nase in den Boden bohren, als der Schnee fort getaut war, aber finden konnte er Gerd auch nicht.

Schnell eilte die Zeit dahin und der Frühling zog ins Land. Die Blumenkinder erwachten und streckten ihre kleinen Stängelchen aus der Erde. Schon bald fing die Erde an zu blühen und erfüllte mit ihrem Duft Wald und Feld. Die Tiere erwachten, brachten ihren Jungen zur Welt und zogen sie auf. Von all dem bekam Gerd nicht viel mit, denn unter der Erde war es stets dunkel. Nur noch öder wurde es dort unten denn Ameise und anderes Getier zog sich mehr und mehr nach oben zurück um die Strahlen der Sonne zu erleben. Nur der Maulwurf kam immer sofort wieder zurück in die Höhle, da er die Sonne gar nicht mag. Durch den Zaubertrunk bedingt, vermisste Gerd jedoch nichts in dieser Zeit. Auch der Sommer kam und ging vorüber.  Manchmal war die Luft jetzt so trocken und heiß hier unten, 

dass Gerd es kaum noch aushielt. Die Zeit eilte wesentlich schneller als hier auf der Erde, jedenfalls war das Zeitgefühl ein anderes. Wieder erschien der kleine Käfer „Na Gerd, gefällt es dir hier immer noch, oder hast du schon manchmal an Rolf gedacht?“ „Ja neulich träumte ich von Rolf, wir haben immer miteinander gespielt." „Rolf ist dein Bruder!“, erinnerte ihn der Käfer. „Wie komme ich wieder zurück nach Hause?“ „Das ist eine gute Frage, aber ich bin bereit dir zu helfen. Warte noch etwas, bis wieder Schnee die Erde bedeckt und das kleine Volk hier unten zur Winterruhe geht, dann komme ich wieder und bringe dich hier raus. Sprich aber mit Keinem darüber in dieser Zeit, sonst kann ich dir nicht mehr helfen und nimm nicht den Trunk zu dir, den dir die Ameise bringt.“ „Ich werde deine Anweisungen befolgen, das verspreche ich!“ Nun wartete Gerd und die Zeit lief gar nicht mehr so schnell wie er es gerne gehabt hätte. Frierend kam eines Tages eine Maus in die Höhle „ich friere so sehr, darf ich bei euch wohnen?“ Natürlich bekam die Maus einen Platz zugewiesen, da die Wurzelmännchen sehr gastfreundlich waren. „Der Winter kommt, der Winter kommt!“ freute sich Gerd und da kam auch schon die Ameise und wollte ihm den Zaubertrunk servieren. Gerne hätten die Wurzelmännchen Gerd noch ein weiteres Jahr oder für immer bei sich behalten.  Es war für sie sehr unterhaltsam ein Menschenkind bei sich zu haben. Gerd konnte und wusste so vieles, was sie nicht wussten und nie hätten sie ihn freiwillig gehen lassen.  Ein Zwerg war wie jeden Abend gekommen, um das Licht zu löschen, damit alles zur Ruhe ginge. Als es dunkel war und jedes Wesen in der Höhle schlief, kam der kleine Käfer. „Komm Gerd, wir müssen uns beeilen!“ Sofort war Gerd auf den Beinen und folgte dem kleinen Sechsbeiner. Leise, ganz leise schlichen Beide durch die Höhle. „Nun musst du dich durch den Schnee dort durcharbeiten, dann bist du frei!“, wies ihn der Käfer an. Gerd grub sich mit aller Kraft durch den Schnee, zog sich an den kräftigsten Wurzeln nach oben. Und da, es gelang ihm, plötzlich sah er die Sterne über sich leuchten und ließ sich in den Schnee gleiten. „Luft, Luft, endlich Luft!“  Jubelte Gerd. Nach der ersten Freude sah er sich um und stellte fest, dass er sich auf dem Rodelhang befand auf dem er mit Rolf Schlitten fuhr. Ganz bedacht ging er nach Hause jeden Schritt in der Freiheit genießend. Leise schlich er sich ins Haus und legte sich in sein Bett, das noch so stand, als ob es nur auf seine Heimkehr gewartet hatte. Als am Morgen die Mutti Rolf wecken wollte, fand sie Gerd in komplett angezogen im Bett. „Junge da bist du ja wieder, wir haben dich gestern den ganzen Abend gesucht!“ „Aber Mutti, weißt du denn gar nicht, das ich ein ganzes Jahr fort war?“ „Ein ganzes Jahr? Na ganz so lange war es dann ja doch nicht, es hat schon gereicht, dass wir den ganzen Abend umsonst nach dir suchten!“ Gerd wollte nicht mit seiner Mutter streiten, da er froh war wieder zu Hause zu sein. Wo war er gestern Abend, als sie ihn suchten? Hatte er geträumt, dass es ein Jahr war? Oder hatte die Mutter sich geirrt?  Glücklich wusch er sich und setzte sich mit seinem Bruder an den Frühstückstisch. Christina Telker

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