Winterwunderland

 

Der Winter begann in meiner Kinderzeit bereits im November. Pünktlich zum Totensonntag bedeckte eine dichte Schneedecke die Gräber. Ich liebte den Winter in seiner Pracht, mit seinen Eisblumen und den bizarren Eiszapfen die überall von den Dächern hingen. Meine Freunde nutzten die Eiszapfen als Lutscher. Auch wenn die Zeiten, in denen wir im Freien spielen, konnten immer kürzer wurden.
Der klirrende Frost trieb uns nach spätestens einer halben Stunde wieder in die warm geheizte Stube. Die Schuhe taugten vom Leder her nicht viel, sodass ich nach dem Spiel im Schnee meist mit nassen Füßen nach Hause kam. Dann hieß es schnell die Schuhe und Strümpfe ausziehen, die Beine am Ofen zu wärmen und oder ein warmes Fußbad zu nehmen.
Allzu gerne gingen wir Schlitten fahren, nur das ich die sanften Abfahrten mehr liebte als die steilen, kurvenreichen Hänge.
Im Neuschnee spielten wir auch gerne einmal ‚Adler‘, indem wir uns gerade im Schnee auf den Rücken legten und die ausgebreiteten Arme Stück für Stück vom Kopf zum Körper führten. Stand man danach auf, sah das Bild im Schnee wie ein Adler aus.
Schneemänner bauten wir in den verschiedensten Größen, stand uns doch den langen Winter über, der meist erst im März endete, reichlich Schnee zur Verfügung.
In einem Winter, ich war etwa 10 Jahre alt, hatten wir eine lange Frostperiode, die Tiere des Waldes näherten sich den Gehöften, weil die Nahrung im Walde nicht mehr ausreichte.
Wieder einmal waren wir mit dem Schlitten unterwegs, als ein Wolf nicht weit von uns seine Spur zog. Schon lange wurde in den Nachrichten angekündigt, dass die Wölfe aus Polen über die zugefrorene Oder, auch zu uns vorgedrungen waren. Eins dieser Tiere jedoch persönlich zu sehen ließ uns einen Schauer über den Rücken rieseln. War der Wald auch sonst unser Revier zum Spielen, so hielten wir uns in diesem Winter doch lieber in der Nähe unserer Häuser auf. Christina Telker

Adventszeit

 

Ganz besonders freute ich mich auf die Adventszeit. Sie barg soviel Romantik in sich, dass ein Kinderherz einfach höher schlagen musste. Schon alleine, wenn die Abende sich schneller zeigten und wir Kinder bei beginnender Dunkelheit schon nicht mehr im Freien spielen durften, hatte die Zeit doch schon einen Hauch von Vorahnung aufs Weihnachtsfest.
Gerne saßen wir am Nachmittag am warmen Kachelofen auf der Ofenbank und lauschten meiner Oma beim Erzählen von Märchen. In der Ofenröhre dufteten die Bratäpfel. Es war eine herrliche Zeit. Das elektrische Licht ließ uns oft im Stich, weil wieder einmal Stromsperre war, sodass wir bei Kerzenschein saßen. Dies ließ Schatten über die Wände huschen und manche Märchengestalt erstehen. Ein Duft von Tanne durchströmte den kleinen Raum, vom selbst gebundenen Adventskranz her.

Wenn ich morgens aufstand, waren die Fenster dick zu gefroren und mit Eisblumen bedeckt. Welch herrliche Winteridylle. Ich betrachtete diese zarten Gebilde wie ein Bilderbuch und konnte mich so noch besser in das Märchen der Schneekönigin hinein versetzen. Wollte ich aus dem Fenster sehen, hauchte ich die Scheiben an, so entstanden kleine Gucklöcher durch die man hinaussehen konnte. Die Fensterbretter besaßen in der Mitte ein kleines Loch, darunter befand sich ein Behälter zum Auffangen des Tauwassers.
Um vom 1. Advent und seiner Besonderheit zu berichten, muss ich etwas ausholen. Wir wohnten in der Bibelschule Malche, einer Ausbildungsstätte für junge Mädchen zu Katechetinnen. Die Malche (auch Malchetal genannt) ist ein kleines Tal mit sechs Häusern und einer kleinen Kirche in der Mitte. Im Norden war dieses kleine Tal mit Buchenwäldern umgeben, nach Süden hin dehnten sich weite Wiesenauen und Ackerflächen aus, sodass wir in der Malche wie eine kleine Siedlung für uns waren. So kann man vielleicht besser verstehen welch ein Erlebnis es für mich als Vorschulkind war, wenn wir am ersten Advent noch in der Dunkelheit von Kerzenschein geweckt wurden, der an unserem Fenster vorbeizog, dazu sangen engelsgleiche Stimmen „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit...“. Die Malcheschülerinnen zogen mit brennenden Kerzen durch die ganze Malche und sangen Weihnachtslieder. Dies war jährlich der Beginn der Adventszeit.
Zum Frühstück stand dann ein selbst gebundener Adventskranz auf dem Tisch, von dem die erste Kerze in die Dunkelheit leuchtete.
Mein absolutes Lieblingslied in der Weihnachtszeit war ‚Kling Glöckchen, klingelin-geling‘. In meiner Fantasie sah ich den frierenden Weihnachtsengel förmlich in unsere kleine Stube treten und um Einlass bitten. Ich wünschte mir so sehr ihn einmal zu sehen.

Auf dem Weihnachtsmarkt

 

Da wir recht weit entfernt vom nächsten Ort wohnten und selten in die Stadt kamen, war es für mich im Vorschulalter immer ein besonderes Erlebnis, wenn meine Mutter mit mir zum Einkauf fuhr. Da zwischen den Fahrzeiten der Busse viele Stunden lagen, hatten wir ausreichend Zeit uns in aller Ruhe umzusehen und unsere Besorgungen zu erledigen. Besonders schön war es in der Adventszeit. Einen Weihnachtsmarkt wie wir ihn heute kennen hatten wir nicht in unserer kleinen Kreisstadt. In einem großen Saal, der vermutlich zum Zentralhotel gehörte, war eine umfangreiche Modellbahnanlage aufgebaut. Für mich damals eine besondere Faszination. Kleine Stände ringsum boten ihre Ware feil. Losstände, eine Würfelbude und ein Glücksrad lockten zum Spiel. Da ich beim Würfelspiel daheim meist gute Ergebnisse erzielte, spendierte meine Mutter mir, auf mein Drängen hin, eine Run-de beim Würfelspiel. Beim ersten Wurf hatte ich den Hauptgewinn, fünfmal die sechs erreicht und somit ‚freie Auswahl‘ unter den Gewinnen. Preise waren Lebensmittel, in der damaligen Zeit eine Rarität, da man nur das kaufen konnte, was die Lebensmittelkarten hergaben. Als nun die Budenbesitzerin zu mir sagte, ich könne mir etwas aussuchen, rief ich freudig: „Ölsardinen“, liebte ich sie doch soo sehr. Sofort griff aber meine Mutter ein und verlangte die Salami, die besonders groß und prächtig dort hing. Nach einer Diskussion zwischen meiner Mutter und der Betreiberin des Standes, wem denn nun der Gewinn zustände meiner Mutter oder mir, gingen wir fröhlich mit der Salami heim. Natürlich erklärte mir meine Mutter den Unterschied zwischen einer Salami und einer kleinen Büchse Ölsardinen, sodass ich dann auch gerne die Wurst nahm.
Die Halle tönte von den schönsten Weihnachtsliedern wieder, die ich gerne mitsang, da ich damals schon fast alle Texte auswendig konnte.

Wenn der Nikolaus kam

 

Voller Aufregung putzten wir Kinder am fünften Dezember unsere Stiefel. Sollte doch der Nikolaus keine Rute hier lassen. Wir gaben uns die größte Mühe in dieser Nacht nicht zu schlafen, um den guten Alten wenigstens einmal zu Gesicht zu bekommen. Natürlich gelang uns das nicht. Am nächsten Morgen, kaum dass ich die Augen aufschlug, sprang ich aus dem Bett um zum Stiefel zu eilen, mit dem ich mich dann glücklich ins Bett zurückzog. Morgens waren die Räume besonders ausgekühlt und man musste Acht geben, sich nicht zu erkälten. Nun wurden die Schätze, die der Stiefel barg, inspiziert. Sehr freute ich mich jedes Jahr auf den Adventskalender, da meine Freunde bereits seit dem ersten Dezember die Türchen öffnen durften. Heimlich sehnte ich mich danach einmal den Adventskalender am ersten Dezember zu bekommen. Jedoch brachte bei mir den Adventskalender immer der Nikolaus. Erst viele Jahrzehnte später erfuhr ich in einem alten Weihnachtsbuch, dass es früher Brauch war, das der Nikolaus den Adventskalender brachte. Als Kind dachte ich, es sei die Idee meiner Eltern.

Das Größte war für mich in jedem Jahr das Pfefferkuchenhaus. Obwohl es sehr wenig Naschereien das Jahr über gab, man bezog ja alle Lebensmittel auf Marken, waren es weniger die Pfefferkuchen, die mich in ihren Bann zogen, als das Haus selbst. Bei ihm konnte man Türen und Fenster öffnen. Abgebildet waren Märchen wie Hänsel und Gretel oder eine Winterlandschaft. Mein Lieblingsmotiv war das Bild mit dem Schneemann von Ludwig Richter. Diesen Maler liebte ich seit meiner Kindheit schon. Leidenschaftlich gerne spielte ich mit  diesem Pfefferkuchenhaus, das meine Phantasie beflügelte. Jedes Jahr in der Adventszeit wünsche ich mir noch einmal ein solches Häuschen in Händen zu halten. Leider gibt es sie nicht mehr.
Bei uns war es Brauch, den Wunschzettel für den Weihnachtsmann, dem Nikolaus mitzugeben. So legte ich zu den geputzten Stiefeln in jedem Jahr etwas Stroh und eine Mohrrübe für den Esel, denn das der Nikolaus mit Schlitten und Esel kam, stand für uns Kinder fest. Auch den Wunschzettel nahm der gute Alte gleich mit, um ihn dem Weihnachtsmann zu geben. Am nächsten Morgen war dann der Stiefel gefüllt und der Wunschzettel mit dem Heu und der Möhre verschwunden.
Eine besondere Erinnerung brachte mir ein Abend kurz vor dem Nikolaustag. Mit meinem Vater saß ich auf der Ofenbank und lauschte seinen Erzählungen. Meine Mutter war dabei Abendbrot zu machen. Als plötzlich der Nikolaus zum Fester her-ein sah. Sprachlos schaute ich zum Fenster. Dann jubelte ich: „Der Nikolaus, der Nikolaus“, und rannte zum Fenster um ihn aus der Nähe zu sehen, es war jedoch zu spät und weit und breit war kein Zipfel seines Mantels mehr zu sehen. Und doch war es ein einmaliger Moment.

Anders sah es bei Evi aus, die in der Wohnung neben uns wohnte. Evi war um einige Jahre älter als ich und verkündete es seit Tagen, egal ob man es hören wollte oder nicht: „Es gibt gar keinen Nikolaus! Das sind ja nur die Eltern!“ Nun kam der Nikolaus polternd direkt zu ihr in die Wohnung. Da auch ihre Eltern daheim waren, packte Evi nun die Angst. Sie rannte so schnell sie konnte ins Schlafzimmer der Eltern und versteckte sich unter deren Bett. Sie kam erst wieder hervor als der Nikolaus das Haus verlassen hatte. Jetzt gab es für sie auch wieder einen Nikolaus.

 

 

Mit den Englein Plätzchen backen

 

In meiner Kindheit war das Backen von Kuchen und Plätzchen noch mit sehr viel Arbeit und Geschick verbunden. Nicht nur das Backen war Handarbeit und forderte von der Hausfrau den Einsatz ihre Kraft. Alleine schon einen Pulverkuchen zwanzig Minuten zu rühren ging sehr auf die Arme und eine Küchenmaschine kannte man nicht. Verstehen musste man aber auch vor allem das richtige Beheizen des Küchenherdes damit das Gebäck weder verkohlte noch halb roh aus der Röhre kam. Dazu gehörte es, dass das Holz oder die Kohle im richtigen Maße in den Ofen geschichtet werden musste, um die Temperatur zu regeln.
In jedem Jahr in der Adventszeit sagte mir meine Mutter, dass sie jetzt zu den Englein ginge, um mit ihnen Plätzchen zu backen. Mein Vater setzte sich zu mir ans Bett und erzählte eines seiner vielen Märchen. Sobald ich eingeschlafen war, begab er sich zu meiner Mutter in die Küche um die Regie am Ofen zu übernehmen. So schlief ich ein, mit dem Gedanken meine Mutter sei jetzt bei den Englein in einem großen Saal, in dem die Englein die Plätzchen ausstachen und zu einem großen Backofen brachten. Ich stellte es mir herrlich vor im Wolkenreich. Am Morgen lagen ein paar Plätzchen auf meiner Bettdecke. Es war eine wunderschöne Welt der Träume, die mir meine Eltern in der gar so kargen Nachkriegszeit ermöglichten, wo ein Plätzchen schon etwas Besonderes war.

Mein Weihnachtbaum

 

In meiner Kindheit hatten wir stets einen kleinen Weihnachtsbaum. Er war längst nicht so prächtig und groß, wie es heute Sitte geworden ist und doch sind mir diese Bäume immer die Liebsten geblieben. Auch wenn ich in jedem Jahr versuche solch einen Weihnachtsbaum zu erstellen, (und ihn nicht wie üblich, jedes Jahr in einer anderen Farbe erstrahlen lasse) ist es mir nie gelungen. Leider blieb von dem Weihnachtsschmuck meiner Kindheit nichts erhalten. Auch wenn ich zarte glasgeblasene Vögel, Glocken und Spitze wieder angeschafft habe, möglichst nostalgisch, es wird nie dasselbe sein.
Schon im Sommer überlegte mein Vater bei unseren Waldspaziergängen, ob sich dieser oder jener Baum, wohl als Weihnachtsbaum eignen würde. Zum Fest kam es dann meist anders. Da wir direkt am Waldesrand wohnten, war es selbstverständlich, dass der Baum aus dem Wald geholt wurde. Mit dem Rad bis zur Stadt zu fahren, die drei Kilometer entfernt war um dort einen Baum zu kaufen, auf diese Idee wäre damals kein Mensch gekommen. Alle Väter der Umgebung holten ihren Baum aus dem Wald und das möglichst am Abend vor dem Fest. Natürlich musste dies im Dunkeln geschehen, um sich nicht erwischen zu lassen. So sah der Baum dann auch aus. Manche Seite war fast kahl, auf der anderen saßen die Äste dafür umso dichter. Um dies zu ändern, ging man wie folgt vor. Auf der zu dicht besetzten Seite wurde durch Absägen der Äste ausgedünnt, diese Äste wurden auf der anderen Seite, indem man vorbohrte, wieder eingesetzt. Das ergab dann doch einen kleinen, aber für uns hübschen Baum. Schon der Wohnungsgröße angepasst durfte der Baum nicht allzu groß sein. So stand er immer auf einem kleinen Tisch. Trotz allem war es in jedem Jahr der schönste Baum!
Ich bekam ihn immer erst nach der Christvesper zu sehen. Ein Baumschmuck, der ganz besonders in Ehren gehalten wurde, war das Lametta. Es bestand aus schweren Silberfäden. ‚Vorkriegsware‘, wie meine Mutter immer wieder betonte. Meine Tante Ruth arbeitete zur damaligen Zeit in einer Fabrik, in der man diesen Bauschmuck herstellte. Da es meiner Mutter gelungen war ihn über die Wirren des Krieges zu retten, war er für sie nicht nur schön, sondern auch eine Erinnerung. Die Lamettafäden wurden beim Abschmücken des Baumes vorsichtig abgenommen und wieder gut verwahrt bis zum nächsten Jahr. Ich muss gestehen, dass es solch ein Lametta heute wirklich nicht mehr gibt. Schade, dass ich es damals nicht für wert achtete aufzuheben.
Für meine Puppen hatte ich einen ganz kleinen Baum von etwa zwanzig Zentimeter Höhe. Er hatte alles wie ein richtiger Christbaum. Winzige Kerzen, Kugeln und Baumbehang. So konnte ich auch mit meinen Puppenkindern Weihnachten feiern. Dies geschah meist vor der richtigen Bescherung, um die Wartezeit zu verkürzen. Als Geschenke hatte ich für meine Puppen kleine Dinge selbst gebastelt.

Weihnachten in der Malche

 

Der Weihnachtsgottesdienst in der Malche ist für den, der es erlebt hat, stets der Höhepunkt des Festes gewesen. Schon mit vier Jahre wirkte ich beim Krippenspiel mit, was mir eine Ehre war. Erstrebenswert waren die Rollen des Engels oder die der Maria. Doch dazu musste viel Text gelernt werden und das traute man uns Kleineren nicht zu. So durchlief ich die verschiedensten Rollen bis ich, die des Engels erhielt.
Nach dem Festgottesdienst gab es für die Mitarbeiter eine Bescherung. Alle Mitarbeiter begaben sich mit ihrer Familie zu einem großen Saal im ‚Alten Haus‘. Vor dem Saal war eine Krippe aufgebaut, die mich sehr beeindruckte. Ich habe mein Leben lang keine Schönere gesehen. Der Boden war moosbedeckt, aus einer Quelle rann Wasser den Berg hinunter. Die Figuren schienen lebendig zu sein. Am liebsten wäre ich vor dieser Weihnachtslandschaft Bethlehems stehen geblieben, so beeindruckte sie mich. Mit dem Lied „Ihr Kinderlein kommet“, betraten alle Familien gemeinsam den Festsaal. Dort fand jede Familie ihren Gabentisch vor. Auf diesem war für jedes Familienmitglied ein Geschenk und einen bunten Teller aufgebaut. Nach einer kurzen Ansprache des Leiters der Einrichtung begaben sich alle Familien nach Hause. Ich fand jedes Mal die schönsten Spielsachen vor und einige Bastel- und Malutensilien. Kirchliche Einrichtungen in der DDR hatten Patengemeinden in der BRD, denen wir diese Gaben zu verdanken hatten.

Das Christkind kam wenn wir in der Kirche waren

 

Wenn wir aus der Kirche kamen und mit einem gemeinsamen Weihnachtslied das Wohnzimmer betraten, stand dort im Dunkeln, der beleuchtete Tannenbaum. Die Wachskerzen dufteten, die Flammen züngelten empor, um vielleicht einen der Zweige zu erwischen. Das Glöcklein läutete, die bunt bestreuten Schokoladenkringel lachten mich an. Auch wenn ich genau wusste, dass vor dem Abschmücken nicht ein Einziger hätte fehlen dürfen, erfreuten sie mein Kinderherz. Die Geschenke waren mit einem großen weißen Tuch abgedeckt und lenkten so nicht vom eigentlichen Sinn der Weihnacht ab. Wir sangen alle Strophen eines Weihnachtsliedes, meist ‚Ihr Kinderlein kommet‘, danach sagte ich mein Weihnachtsgedicht auf, das mir nie lang genug sein konnte. Es machte mir Freude Gedichte zu lernen. Bereits mit vier Jahren sagte ich „Von drauß vom Walde komm ich her...“, auf. Nun wurde das Tuch gehoben und die Geschenke bestaunt, die trotz ärmlicher Zeit immer eine echte Überraschung und große Freude waren. In jedem Jahr bemühte ich mich das Abschmücken, trotz des lockenden Baumbehanges, so weit wie möglich hinauszuzögern, um mich nicht eher als nötig von meinem Baum zu trennen. Dass er zu meinem Geburtstag, Anfang Januar, noch stand, war selbstverständlich. Mitte Januar musste ich mich dann wohl oder übel von ihm trennen. Wenn die Zweige dann im Ofen knisterten, war es mir immer wie Abschied nehmen von einem lieben Freund. Ich bin meinen Eltern heute noch dankbar für diese schönen Weihnachtsfeste. Als Erinnerung blieb ein Quirl, der aus der Spitze des Baumes geschnitzt wurde, als praktischer Helfer in der Küche.

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