Vom Pelzemärtel die ganze Geschicht'!
Nun hört einmal, doch fürchtet euch nicht,
vom Pelzemärtel die ganze Geschicht'!
Es wird schon finster um und um. –
Der Pelzemärtel geht herum
und sucht nun auf die Kinder.
Da will ich sehen, wie's euch geht,
wenn er vor unsrer Türe steht
und schaut ins Eck so hinter!
Doch seid nicht bang und nicht besorgt!
Ihr habt ja immer gern gehorcht,
das soll euch nicht gereuen.
Stellt euch nur um den Vater her;
und brummt er wie ein alter Bär,
er wird euch doch erfreuen.
Doch horch! Was schlurft denn vor dem Haus?
Ich meine gar, jetzt ist er drauß'
und streift sich ab die Füße.
Da hör ich so ein Knick und Knack,
das ist gewiß der weite Sack
voll großer welscher Nüsse.
Es schellt und gellt, das Haus geht auf.
Er geht die Stiege schon herauf
mit seinen großen Socken.
Das kollert und bollert,
das holpert und stolpert,
doch seid nur nicht erschrocken!
Die Kinder schauen
voll Angst und Grauen
und wagen keinen Schnauf.
Pelzmärtel trappt,
die Klinke klappt,
die Stubentür geht auf.
Da steht er den im Zottelrock
mit einem ungeheuern Stock
und hat von fürchterlicher Art
gar einen langen, langen Bart;
schleppt auch zwei Säcke mit sich her,
den einen voll, den andern leer,
der ist geschnallt in seinen Gurt.
Jetzt aber murmelt er und schnurrt:
»Weil in die Stuben
ich zu dir komm,
sag, sind die Buben
auch brav und fromm?«
»Kann sie loben!«
»Sitzen sie am Schreibetisch
immer fleißig, immer frisch?
Sitzen sie in ihrer Schul'
oben auf dem ersten Stuhl?«
»Alle droben!«
»Führen die Mädchen
Nadel und Fädchen?
Stricken sie, flicken sie?
Sind sie zu der Arbeit flink
auf der Mutter ersten Wink?
Hören sie in einem fort
auf des Vaters erstes Wort?«
»Sie hören gern und gehorchen
und machen uns wenig Sorgen!«
Plumps – da tut's einen Fall,
plumps – da tut's einen Knall!
Offen ist der große Sack,
und da geht es: Knack, knack, knack;
und die Nüsse kriegen Füße,
rudeln und hudeln
da hinaus und dort hinaus
und wackeln die ganze Stube aus.
Und die Kinder springen hinter
und packen und sacken
und haschen und klauben
in Taschen und Hauben.
Das freut den Pelzemärtel sehr
und sagt: »Nun geb ich euch noch mehr.«
Und wirft auch noch in jedes Eck
einen große, großen Märtelsweck,
bestreut mit Zucker und Mohn,
und spricht mit freundlichem Ton:
»Fürchtet euch nicht
vor meinem Gesicht!
Bin jedem Kind gut,
das nichts böses tut.
Gebt mir einen Patsch!
Platsch, das freut mich heut,
ihr kleinen Leut'.
Nun, Kinder, seid mir ja recht fromm!
Dann bring ich, wenn ich wiederkomm,
dass ihr euch verwundert,
Nüsse, mehr als hundert,
und einen Weck, so groß wie ich.
Ade, ihr Kinder, denkt an mich!«
Nun rollt es und trollt es
die Stiegen hinunter.
Wollt einer erschrecken
und sich verschrecken,
es wär kein Wunder.
Wer aber brav ist ohn' Unterlass,
dem ist das alles nur ein Spaß.
Der fürchtet nicht den Zottelrock
und nicht den ungeheuren Stock.
Der zappelt nicht als wie ein Fisch
und krabbelt nicht gleich unter den Tisch.
Der kann sich auf den Märtel freuen,
den alle bösen Kinder scheuen.
Friedrich Güll
*1. April 1812 in Ansbach; † 24. Dezember 1879 in München