Dezember

 

Wenn über Wege, tief verschneit,

der Schlitten lustig rennt,

 im Spätjahr, in der Dämmerzeit,

 die Wochen im Advent,

wenn aus dem Schnee das junge Reh

 sich Kräuter sucht und Moose,

blüht unverdorrt im Frost noch fort,

die weiße Weihnachtsrose.

 

Kein Blümchen sonst auf weiter Flur;

in ihrem Dornenkleid

nur sie, die nied're Distel nur,

 trotzt allem Winterleid.

Das macht, sie will erwarten still

 bis sich die Sonne wendet,

damit sie weiß, dass Schnee und Eis

 auch diesmal wieder endet.

 

Doch ist's geschehn,

 nimmt fühlbar kaum der Nächte Dunkel ab,

dann sinkt mit einem Hoffnungstraum

 auch sie zurück ins Grab.

 Nun schläft sie gern; sie hat von fern

 des Frühlings Gruß vernommen,

 und o wie bald wird glanzumwallt

 er sie zu wecken kommen.

Hermann Lingg (1820-1905)

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