Gehen wir in der Adventszeit durch die Straßen unserer Stadt, leuchten uns von überall Weihnachtssterne entgegen. Aus den unterschiedlichsten Formen und Materialien strahlen sie uns an. Die meisten sind wunderschön und treffen unser Herz, um ihm Freude zu senden.

Auch vor über 2000 Jahren war es ein Stern, der die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zog. Der Stern, über dem Stall von Bethlehem. Seien es nun die Hirten, die sich am Stern orientierten, nachdem die Engel ihnen die Botschaft gebracht hatten vom Kind in der Krippe oder die Könige, die von diesem besonderen Stern geführt wurden. Dieser Stern tat die Geburt eines Kindes kund, eines Kindes in einer Futterkrippe, im Stall liegend, weil sich kein Raum in der Herberge für die hochschwangere Mutter und den Vater des Kindes fand.

Heute ist unter Christen ganz besonders der Herrnhutstern, ein Stern, der uns durch die Weihnachtszeit begleitet. Auch mich begleitete dieser Stern seit meiner Kindheit, über Jahrzehnte hinweg. Eine Adventszeit ohne diesen wunderbaren Stern, der einst 110 Zacken trug und im Hof der Brüdergemeinde bereits 1821 leuchtete, verkündet jedes Jahr neu, die Geburt Jesu und erinnert uns an den Stern von Bethlehem.

Aber auch Engel haben in dieser Zeit Hochkonjunktur. Schillernd, glitzernd, aus Glas, Keramik oder Holz lächeln sie uns aus Fenstern und Schaufenstern entgegen. In fast jedem Haus finden wir zur Weihnachtszeit mindestens einen Engel. Oftmals vergessen wir dabei, dass Engel keine Nippes sind, sondern Gottes Boten.

Auf diesen Weihnachtsseiten treten Engel in besinnlich, humorvoller Weise auf. Nicht immer ganz ernst zu nehmen und doch mit sichtbarem Hintergrund. Heißen wir sie Willkommen in unseren Stuben, in der Weihnachtszeit, vielleicht auch das Jahr über in unseren Herzen.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gesegnete Weihnachtszeit

                                                                                   Eure Christina Telker

 

Tim und der Weihnachtsstern

In der Vorweihnachtszeit sind alle Kinder ganz besonders aufgeregt. Das war vor hundert Jahren so und ist auch heute noch so geblieben.

Tim ging es genauso. Jeden Abend, wenn er in seinem Bettchen lag, fragte er sich, ob es den Weihnachtsstern wirklich gibt.

Vor zweitausend Jahre habe er die Geburt des Jesuskindes angekündigt, die drei Waisen zu ihm geführt und den Hirten den Weg zum Stall gewiesen. Jedes Jahr zum Weihnachtsfest leuchtet er auch heute noch strahlend am Himmel. Er leuchtet viel heller als die anderen Sterne und jeder kann ihn sehen, wenn er will. So erzählt man sich.

„Gibt es den Weihnachtsstern wirklich?“, fragte Tim fast jeden Abend die Mutti, wenn sie ihn ins Bett brachte. Und wie immer antwortete die Mutti: „Natürlich gibt es den Weihnachtsstern. Du musst nur richtig hinsehen.“ Dann blickte Tim so lange durch sein Fenster in den Sternenhimmel bis er einschlief. Den Weihnachtsstern hatte er noch nie gesehen.

Es war die Nacht vor dem Heiligabend. Wieder hatte Tim in die Sterne geschaut. Da, plötzlich, fiel ein Mondstrahl auf sein Bett und eine Stimme sprach: „Komm, Tim, steig auf, ich bringe dich zum Weihnachtsstern!“ Tim rieb sich die Augen. Wachte oder träumte er? Da sprach die Stimme ein zweites Mal: „Nun komm schon, ich kann nicht ewig warten!“ „Wer bist Du?“, wollte Tim jetzt wissen. „Siehst du mich denn nicht, ich bin ein Mondstrahl! Nun steig schon auf, ich kann dich tragen.“ Jetzt wollte Tim nicht länger warten, schnell setzte er sich auf den Mondstrahl und los ging die Reise. Vorbei am großen Wagen, an der Milchstraße und am alten Vater Mond bis hin zu einem großen Stern, dem Weihnachtsstern. Tim hielt sich ganz fest, denn die Fahrt ging rasend schnell. Als der Mondstrahl Tim auf dem Weihnachtsstern absetzte, war er im ersten Moment wie benommen. Strahlende Helle umgab ihn, dass er sich wie geblendet fühlte. „Du wolltest wissen ob es mich gibt?“, sprach eine Stimme zu Tim. „Ja“, antwortete dieser etwas schüchtern. „Nun siehst du, das es mich gibt! Komm setz dich, ich will die eine Geschichte erzählen“, sprach freundlich der Stern zu ihm. Gerne kam Tim der Aufforderung nach. Alles war hier so kuschelig weich und warm wie in seinem Bettchen nur viel, viel schöner.

„Vor zweitausend Jahren, war ich ein Stern wie jeder anderen“, begann der Weihnachtsstern zu erzählen. „Gott Vater ging von Stern zu Stern den Himmel entlang.  „Ich habe eine besondere Aufgabe für einen von euch,“ sagte er. Als er uns alle gesehen hatte, erwählte er mich.  „Ich werde meinen Sohn auf die Erde senden und du sollst es aller Welt anzeigen. Du wirst ab sofort ein besonderer Stern sein – der Weihnachtsstern. Dein Glanz wird hell zur Erde strahlen, dass die Menschen dich sofort erkennen werden.“ So bekam ich meine Aufgabe.“ Der Stern erzählte noch weiter, von der Geburt des Jesuskindes, von den Hirten, die ihn sahen und von den drei heiligen Königen, die ihm folgten. Aufmerksam hörte Tim ihm zu. „Jetzt weiß ich, dass es dich gibt!“, sagte er freudig, als der Weihnachtsstern seine Erzählung beendet hatte. „Danke, dass ich dich besuchen durfte.“

„Jedes Jahr in der Weihnachtszeit erfülle ich einem Kind diesen Wunsch“, erzählte der Stern. „Für dich wird es nun Zeit zur Erde zurück zu kehren. Bald ist die Nacht vorüber. Eine Bitte habe ich noch. Erzähle allen Kindern auf der Erde von mir und von der wahren Weihnachtsgeschichte.“ Gerne versprach es Timm, setzte sich auf den Mondstrahl und war bald wieder in seinem Bettchen.

Als am Morgen die Mutti ins Zimmer trat waren Tims erste Worte „Mutti darf ich dir die Weihnachtsgeschichte erzählen?“ Die Mutti lächelte und meinte: „Gerne Tim, heute Abend unter dem Tannenbaum.“ Christina Telker

Dorfgemeinschaft

 

Glutrot verabschiedete sich die Sonne an diesem, vor Frost klirrenden, Winterabend vor dem ersten Advent. Nur noch wenige Wochen war es bis zum Fest. „In diesem Jahr werden wir sicher, nach langem wieder weiße Weihnachten haben“, sprach Gertrud vor sich hin. Gerne sah sie der untergehenden Sonne zu und ihrem sich ständig verändernden Wolkenbild, bis sie endgültig hinter dem Horizont verschwunden war. Jetzt begab sie sich in die Küche, um den Stollenteig für den nächsten Tag anzusetzen. Präzise genau wog sie alle Zutaten ab. Ihre Stollen waren im ganzen Dorf beliebt. Jeder freute sich, der am 3. Advent bei ihr zum traditionellen Stollenessen eingeladen war. Jährlich wurden es mehr Gäste, aber Gertrud handelte nach dem Satz, ‚Platz ist in der kleinsten Hütte‘. So war es dann auch. Nie wäre einer der Gäste auf die Idee gekommen, Gertruds kleine Kate, als zu eng anzusehen. Zum Abschied bekam jeder Gast von ihr als Weihnachtsgruß einen kleinen Stollen zum Mitnehmen.

 Doch in diesem Jahr sollte es anders kommen. Als Gertrud sich am Morgen fertig machen wollte, rutschte sie im Bad aus und brach sich das Bein. Sie musste ins Krankenhaus und ihr Stollenteig stand verwaist in der Küche. Als ihre alte Freundin, die Zeitungszustellerin,  gegen Mittag ins Haus trat, sah sie die Bescherung. Nur gut, dass Gertrud ihr für den Ernstfall ihren Wohnungsschlüssel überlassen hatte. Jetzt sorgte Frau Müller dafür, dass diese Nachricht im Dorf die Runde machte. Für den Nachmittag verabredeten sich alle Frauen des Dorfes und jeder nahm einen Teiganteil mit nach Hause. Wie froh war Gertrud, als sie von dieser Lösung hörte. „Zum Kaffee treffen wir uns dann im nächsten Jahr“, meinte sie etwas traurig. Pünktlich zum 3. Advent wurde die alte Dame aus dem Krankenhaus entlassen. Als sie sich am Morgen ihren Kaffee brühte, dachte sie betrübt an die Jahre zuvor, in denen gerade dieser Nachmittag für sie der schönste der Adventszeit war. ‚Da kann man halt nichts machen‘, dachte sie bei sich.

Wie staunte sie, als es am frühen Nachmittag an ihrer Tür klingelte, wo sie doch heute gar keinen Besuch erwartete. Frau Müller stand vor der Tür. Nachdem die beiden Freundinnen sich ein wenig ausgetauscht hatten, meinte Frau Müller: „Na, dann wollen wir mal den Tisch decken. Sag mir einfach, wo alles steht, ich mache das dann schon.“  „Wieso den Tisch decken? Das hört sich ja an, als ob eine ganze Gesellschaft käme. Für uns beide genügt doch das Alltägliche“, gab Gertrud zu bedenken. „Ja, für uns beide schon, aber möchtest du denn deine anderen Gäste nicht bewirten?“, fragte lächelnd Frau Müller. „Ich habe keinen eingeladen. Habe ja auch nichts womit ich meine Gäste bewirten könnte“, gab nun Gertrud zu bedenken. „Doch du hast alles, um deine Gäste zu bewirten. Hast du denn den Stollenteig vergessen, der bereits fix und fertig nur noch auf das Abbacken wartete, als du ins Krankenhaus kamst? Alle Frauen des Dorfes haben sich einen Teil des Teigs geholt an diesem Tag, um ihn bei sich zu Hause abzubacken. Heute kommen sie zu dir zum Kaffee“, erklärte Frau Müller nun. Gertrud konnte es gar nicht fassen. Was hatte sich ihre Freundin da nur einfallen lassen. Als sich am Abend die Frauen verabschiedeten, sagte die alte Gertrud: „So einen schönen 3. Advent hatten wir noch nie. Ich danke euch allen für eure Liebe, die ihr mir erwiesen habt.“ „Du warst immer für uns da, warum sollten wir, da nicht auch einmal für dich da sein“, war die einstimmige Antwort. „Vergesst nicht, am nächsten Sonntag treffen wir uns alle im Gemeindehaus mit Pfarrer Wöllner zum Adventssingen“, erinnerte Gertrud beim Abschied. Es gab keinen, der dieser Einladung nicht gefolgt wäre. (c) Christina Telker

Die Weihnachtskarte

 

Susanne warf einen letzten Blick in den Spiegel, um ihr Aussehen zu prüfen. Jetzt noch schnell zum Briefkasten und dann würde es Zeit werden, sich für die Abreise fertigzumachen. Ein Blick in die Handtasche bestätigte ihr, dass sie alle nötigen Papiere beisammenhatte. In diesem Jahr wollte sie das bevorstehende Fest ganz allein in einer Berghütte verbringen. Die Skier für eine ausgedehnte Wanderung, zu der sie sich langfristig angemeldet hatte, waren bereits im Urlaubsort angekommen. Noch einmal schauen, ob sich etwa ein Werbeprospekt verirrt hatte und dafür sorgen, dass der Briefkasten über die Zeit ihrer Abwesenheit leer blieb.

Doch was war das? Sicher hatte der Postbote sich geirrt, als er den Brief bei ihr einwarf. Kein Wunder bei der vielen Post vor dem Fest. Doch, als die junge Frau den Brief näher betrachtete, sah sie, dass es kein Irrtum war, die Adresse trug eindeutig ihren Namen. Wer sollte ihr denn schreiben? Sie hatte doch allen Bekannten Bescheid gegeben, dass sie in diesem Jahr nicht erreichbar sei. Nun trieb sie allerdings doch die Neugier. So öffnete sie den Brief und entnahm ihm eine romantische Weihnachtskarte mit bezaubernder Schneelandschaft, genau passend zu dem was sie sich für die nächsten Tage erträumte. Diese Karte war von ihrer alten Schulfreundin Greta. Jahrelang hatten sie nichts voneinander gehört, so wunderte sich Susanne nicht wenig. Greta schrieb ausführlich. Sie erzählte wie alleine sie sich fühlte seit dem Tode ihrer Mutter im Herbst. Lange hatte sie diese gepflegt. Greta schrieb, wie sehr ihr die Mutter fehlen würde und das ihr vor diesem Weihnachtsfest regelrecht graute. Als Susanne die Karte gelesen hatte, war ihr die Freude am Urlaub vergangen. Warum musste sie auch gerade heute so penibel den Briefkasten leeren? Es hätte doch genügt, wenn sie bei ihrer Rückkehr wieder reingeschaut hätte.

In Gedanken versunken zog sie sich an, nahm ihren Koffer und bestellte sich ein Taxi, dass sie zum Bahnhof fahren würde. Sie kam einfach von dem Brief nicht los. Bis heute hatte es ihr nichts ausgemacht den Eltern mitzuteilen, dass sie in diesem Jahr nicht nach Hause käme. Warum sollte sie nicht auch einmal nur an sich denken. Sie hatte das Gerede über die alltäglichen Dinge des Lebens satt, ganz besonders über die Krankheiten der Eltern. Sie wollte von all dem nichts wissen. Sie wollte auch keine Geschenke. Ja, am liebsten wollte sie sich ganz abseilen und nur noch ihre Ruhe haben. Nun kam dieser Brief, der alles wieder aufwühlte.

Gerade fuhr der Zug im Bahnhof ein. Wieder zehn Minuten Verspätung na hoffentlich würde sie ihren Anschlußzug noch bekommen. Immerhin hatte sie extra einen Platz in der 1. Klasse gebucht, um den Urlaub bereits auf der Fahrt beginnen zu lassen. Und nun? Ihre Gedanken lösten sich nicht von der Karte. War das der Sinn von Gretas Karte, sie wieder an die wichtigen Dinge des Lebens und des Weihnachtsfestes zu erinnern? Im nächsten Moment verwarf sie diesen Gedanken aber auch bereits wieder. Woher sollte Greta ihre Situation überhaupt kennen, sicher war sie der Meinung, ihre alte Schulfreundin würde das Fest im Kreise ihrer Familie genießen und sie wollte sich nur ihren eigenen Kummer von der Seele schreiben, jetzt so alleine dazustehen. Susanne sah in ihre Handtasche. Wo lebte Grete eigentlich jetzt? Immerhin würde es sich ja so gehören, ihr nach dem Fest zu antworten. Immer näher kam der Zug dem Bahnhof, auf dem Susanne umsteigen musste. Er hatte einige Minuten der Verspätung aufgeholt, so konnte die junge Frau ihren Anschluß gerade noch erreichen.

Als ihr Zug hielt, wurde bereits die Einfahrt ihres nächsten Zuges durch den Lautsprecher angekündigt.  Doch in dem Moment, als Susanne den Bahnsteig betrat, stand für sie fest, sie würde ihren Reiseplan ändern. Sie ging zum Fahrkartenschalter und löste sich eine Fahrkarte nach Wiesenburg, dem Wohnort Gretas. Sie würde diese überraschen, damit sie nicht allein sei über die Feiertage. Noch vom Zug aus, in dem sie nur mühsam noch einen Sitzplatz bekam, stornierte sie ihren Winterurlaub. Den Rücktransport der Skier würde sie später, nach den Feiertagen organisieren.

Greta traute ihren Augen nicht, als Susanne so unverhofft vor ihr stand. Viel hatten sich die beiden Frauen zu erzählen, die sich Jahrzehnte nicht gesehen hatten. Zum Ende des Abends stand für beide fest, sie würden, morgen, am Heiligabend gemeinsam zu Susannes Eltern fahren. „Eltern hast du nur einmal“, hatte Greta ihr klargemacht. „Gehst du jetzt deinen Weg, wirst du es später bereuen.“ Noch am Abend buchten sie ein Zimmer im Hotel, nicht weit von Susannes Eltern entfernt, denn immerhin kamen sie unangemeldet und wollten keine Umstände machen. Es sollte ein schönes Weihnachtsfest für alle beteiligten werden.

Als am Heiligabend zur Kaffeezeit die Türglocke bei Susannes Eltern läutete, staunten diese nicht schlecht über den unverhofften Besuch. Gemeinsam gingen sie am Abend zur Kirche und nahmen das Wort der Weihnacht in sich auf. Gottes Liebe kam in die Welt, damit wir Liebe weitergeben.

Als Susanne zu Beginn des neuen Jahres gemeinsam mit Greta die Heimreise antrat, bereute sie keine Stunde, der letzten Tage. So schön war noch nie eine Weihnachtszeit, dachte sie bei sich. Kein Urlaub in einer Skihütte hätte mich hierfür entschädigen können. Die beiden Freundinnen blieben von nun an in Verbindung. Künftige Weihnachtsfeste verbrachten sie stets gemeinsam bei Susannes Eltern. Die Familie war nun auch für Susanne wichtig geworden und das verdankte sie ihrer alten Schulfreundin, die ihr die Augen geöffnet hatte. © Christina Telker

 

Der Weihnachtsvogel

 

In einem kleinen Dorf, fern ab vom Trubel der Großstadt, lebte vor vielen, vielen Jahren ein alter Glasbläser. Er liebte nicht nur seinen Beruf, für den er stets neue Ideen entwickelte, er liebte ebenso die Natur. Aus diesem Grunde war er bereits in jungen Jahren in dieses kleine Dorf gezogen. Gerne ging er im Wald spazieren, wenn es seine Zeit erlaubte. Die Tiere zeigten keine Furcht vor ihm, sondern kamen gern in seine Nähe, wussten sie doch, dass der alte Mann gerne eine kleine Leckerei für sie bereithielt.

Wieder neigte sich das Jahr dem Ende zu, die Weihnachtszeit hatte begonnen. Tief verschneit grüßte der Wald, als Eckhard sich wieder einmal vornahm sein kleines Haus zu verlassen, um im schneebedeckten Wald die klare Luft zu genießen. Als er die Tannenschonung erreichte, bot sich ihm ein gar zauberhaftes Bild. In den Wipfeln der verschneiten Tannen saß ein Dompfaff und sang sein Lied. Dieser Vogel sang so schön, dass der alte Mann nur stehen und lauschen konnte.

Wieder daheim in seinem Stübchen musste er immer wieder an diesen Vogel denken und sein Weihnachtslied, das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. So setzte er sich trotz des späten Abends noch einmal in seine Werkstatt und zauberte einen Weihnachtsvogel aus Glas. Diesen setzte er zwei Tage später in die Zweige seines Christbaumes. Das Lied des kleinen Vogels im Wald im Ohr, erlebte er, im Blick auf seinen Weihnachtsvogel das schönste Christfest seit langem.

Am nächsten Abend bekam Eckhard Besuch von einem alten Freund, dem er von seinem Erlebnis erzählte. Dieser war so begeistert von dem kleinen Vogel aus Glas, dass er es im Dorf weiter erzählte. Seitdem sitzen in der Weihnachtszeit zarte Vögel aus Glas auf unseren Tannenbäumen, die das Lied der Weihnacht in die Stuben bringen. (Christina Telker)

Das Weihnachtshaus

 

Der erste Advent war Omatag, das war nun schon seit einigen Jahren so. Darauf freuten sich die Enkel und die alte Dame gleichermaßen. So war auch Oma Ilse in diesem Jahr nicht untätig gewesen in der Vorbereitung dieses Nachmittags. Von ihren drei Kindern, waren es nun bereits sechs Enkel, die sie besuchen würden, eine gemütliche Kaffeerunde, mit vielen guten Gesprächen und einer jährlichen Überraschung. Ein hübsch gedeckter Tisch, mit einem Adventskranz in der Mitte, wartete auf die Rasselbande. Der Kakao dampfte bereits in der Kanne und die selbst gebackenen Plätzchen luden förmlich ein zum Zugreifen.

Da läutete es auch bereits das erste Mal an der Tür. Elke und Ursel stürmten herein, um die Oma zu begrüßen, als sie ihnen die Tür öffnete. Sie hatten sich kaum die Mäntel ausgezogen, als Willi und Margot erschienen. Nun hatten die Vier erst einmal mit sich zu tun und Oma Ilse konnte sich ihren beiden Jüngsten, Bernd und Sahra, widmen als sie eintrafen. Als sich der größte Trubel gelegt hatte, lud Oma Ilse ein zum Kaffeetisch. Das ließen sich die Kinder nicht zweimal sagen. Als der größte Appetit gestillt war und die Gespräche begannen, war die erste Frage von Elke: „Was hast du dir für den heutigen Nachmittag überlegt, Oma?“ Nun wurden auch die anderen aufmerksam und spitzten die Ohren, denn Omas Überraschungen waren immer so, dass alle mit Freude im Herzen und schönen Erinnerungen am Abend heim gingen.

„Wenn ihr so weit seid, dann lasst uns erst einmal den Tisch abräumen“, gab die alte Dame zur Antwort. Nun wuchs die Spannung und jedes der Kinder griff gerne zu, damit der Tisch bald abgeräumt wäre. Dann setzten sie sich wieder hin und warteten auf die Großmutter. „Ich habe ein Haus gebaut“, begann sie die Erzählung. „Willst du umziehen?“, erkundigte sich Sahra. „So meint doch Oma das nicht“, fiel ihr Willi ins Wort. „Oma hat sich sicher ein Spiel für uns ausgedacht.“ „Da kommst du der Sache schon näher“, bestätigte Oma Ilse, an Willi gewandt. „Ganz hast aber auch du es nicht getroffen. Heute möchte ich mit euch basteln.“ Die alte Dame stand auf, um aus dem Schlafzimmer das vorbereitete Bastelmaterial zu holen. Zuerst legte sie eine große Pappe in die Mitte des Tisches. „Ein Haus“, rief Elke laut, weil das was da vor ihr lag, ihr sehr gut gefiel. Dieses recht große Haus zeigte sechs weit geöffnete Fenster und eine ebenfalls geöffnete Doppeltür. In den Räumen war es jedoch leer. „Jeder von euch kann sich jetzt ein Fenster aussuchen“, forderte die Großmutter auf, „den Hauseingang gestalten wir dann gemeinsam.“ Schon kamen Vorschläge, die vom Puppenhaus bis zum Chemielabor reichten, ganz dem Alter der Kinder entsprechend. Oma Ilse ließ ihre Enkel reden. Als sie sich beruhigt hatte, stellte sie die Frage in die Runde: „Welchen Tag haben wir heute?“ Natürlich wussten alle sechs Kinder, dass es der erste Advent war. Fragend sahen sie ihre Großmutter an. „Ja, genau, es ist der erste Advent, und darum wollen wir auch unser Haus nicht irgendwie einrichten, es soll ein Weihnachtshaus werden. In jedes Fenster wünsche ich mir, ein weihnachtliches Symbol gestellt. In den Hauseingang kommt die Krippe. Nun möchte ich eure Ideen hierzu hören, jedoch nicht nur das jeweilige Symbol, sondern auch, warum ihr gerade dies ausgewählt habt.“

Zuerst einmal herrscht Schweigen in der Runde. ‚Da hat sich ja die Oma etwas ausgedacht‘, gehen die Gedanken. Es dauerte jedoch  nicht lange und Elke meldet sich zu Wort: „Ich stelle ein Licht, eine Kerze, in mein Fenster. Kerzen gehören in diese Zeit, wenn es draußen schon zeitig dunkel wird. Auch sieht es schön aus, wenn man draußen noch unterwegs ist und im Fenster ein Licht stehen sieht. Dann wird einem gleich viel angenehmer zumute. Ich liebe Kerzen. Mit Mutti sitzen wir auch jeden Abend in der Adventszeit eine Weile bei Kerzenschein und unterhalten uns.“ Die anderen stimmten ihr zu und erzählten von ihren Kerzen daheim. „Das hast du gut ausgewählt“, freute sich Oma Ilse. „Hier habe ich für euch das nötige Bastelmaterial“, sie zeigte auf einen kleinen Tisch, der hinter ihr stand und über dem bis zu diesem Zeitpunkt noch ein Tuch gelegen hatte, um die Kinder nicht abzulenken.

„Ich hänge ein Herz in mein Fenster“, sagte nun Margot. Verwundert sahen sie die andren an, als ob sie fragen wollten, was ein Herz mit Weihnachten zu tun hat, aber da setze das Mädchen bereits seine Gedanken fort: „Was wäre Weihnachten ohne Liebe? Aus Liebe beschenken wir uns. Aus Liebe zu uns Menschen sandte Gott seinen Sohn in die Welt. Ohne Liebe könnte auch dein Licht nicht leuchten“, wandte sie sich nun an Elke. Jetzt verstanden sie alle und stimmten ihr zu.

„Aber das Wichtigste ist der Frieden“, ergänzte jetzt Willi. Ohne Frieden sieht es schlecht aus in der Welt. Wir hören es täglich in den Nachrichten und auch auf den Feldern von Bethlehem verkündeten die Engel ‚den Frieden auf Erden‘.“ „Was habe ich doch für schlaue Enkel“, meinte lächelnd die Großmutter. „Aber darüber was denn nun das Wichtigste ist, wollen wir uns nicht streiten.“ Jetzt wandte sie sich an ihre Jüngste, Sahra. „Na, meine Kleine, was hast du dir denn so überlegt?“ „Weißt du Oma, ich liebe die Sterne, und wenn ich am Nachmittag vor dem ersten Advent mit Mutti unseren Herrnhutstern zusammenbauen kann, dann ist für mich schon ein bisschen Weihnachten. Es sieht immer so schön aus, wenn er leuchtet und über dem Stall von Bethlehem stand auch ein Stern. Besonders liebe ich es aber, wenn Vati an klaren Winterabenden mit uns vor die Tür geht und uns den Sternenhimmel erklärt. All das ist für mich Weihnachten.“ „Wie recht du doch hast, meine Kleine“, bestätigte Oma Ilse die Worte ihrer Enkelin. „Weißt du, als ich ein Kind war, ging es mir genauso. Auch ich stand an Winterabenden gerne mit meinem Vater vor der Tür und ließ mir die Sternbilder erklären.“

 „Wisst ihr, was mir auch ganz wichtig ist“, mischte sich jetzt Ursel ein, „das Backen mit Mutti und Elke. Wenn wir dann die Plätzchen ausstechen, mit den schönen Formen und sie danach, wenn sie aus dem Ofen kommen, bunt verzieren, dann ist auch für mich Weihnachten. Schon der Duft, der durch die ganze Wohnung zieht, beim Backen. Neulich  sagte auch unsere Nachbarin, bei euch riecht es aber gut, da bekommt man gleich Appetit sich einzuladen.“ „Das stimmt“, gab Oma Ilse zu. „Darum greift gleich noch einmal zu, denn die leckeren Plätzchen auf dem Tisch, habe ich extra für euch gebacken.“ Das ließen sich die Kinder nicht zweimal sagen.

Frisch gestärkt konnte es nun weitergehen und auch Bernd wollte nun endlich sein Fester schmücken. „Für mich gehört auch immer die Weihnachtspost dazu“, begann er zu erzählen. „Nicht bloß immer Kurznachrichten per Handy. Ja, das mag ich auch, aber wenn ich im Briefkasten eine schöne Weihnachtskarte finde, dann freue ich mich darüber noch viel mehr. Lange steht sie in meinem Zimmer auf dem Schrank und danach kommt sie zu meiner Sammlung. Ich finde es ganz toll, das du mir immer eine Karte schreibst, Oma.“ „Ich weiß ja auch, dass du diese Karten sammelst und suche immer eine besonders schöne für dich aus“, bestätigt die Großmutter. „Aber Bernd hat recht. Weihnachten ohne Weihnachtspost wäre kein richtiges Weihnachten. Wisst ihr eigentlich, dass es 1843 die erste Weihnachtskarte in London gab?“ „Ich weiß es“, gab Bernd zu, „weil Postkarten mein Hobby sind. Die andren staunte über sein Wissen, obwohl sie zuvor noch etwas über das vermeintlich, altmodische Hobby gelächelt hatten, still für sich.

„Nun sieht unser Haus doch schon richtig schön aus, meint ihr nicht“, freute sich Oma Ilse über ihren gelungenen Nachmittag. „Das stimmt“, bestätigten ihr die Enkel, „aber die Eingangstür, die ist noch leer“, gaben sie zu bedenken. „Darum werden wir das jetzt ändern. Dass in den Eingang unseres Weihnachtshauses die Krippe gehört, sagte ich euch bereits am Anfang. Wenn wir uns jetzt eure Fenster betrachten, finden wir all das wieder, was auch in die Krippe gehört. Hell erstrahlte der Himmel in dunkler Nacht auf dem Feld von Bethlehem als die Engel den Hirten die Geburt des Jesuskindes und zugleich die Friedensbotschaft verkündigten. Der Stern wies den Hirten und den Königen  den Weg zur Krippe. Alle brachten ihre Gaben dar.

Hier finden wir auch die Plätzchen und die Weihnachtspost. Denn beides sind unsere Geschenke, mit denen wir andere Menschen erfreuen. Dein Herz, Margot, zeigt die Liebe, die Gott zu uns Menschen schenkte, in dem er seinen Sohn zu uns sandte.“ „Das hast du aber schön gesagt“, freuten sich die Kinder. Gemeinsam mit ihrer Großmutter gestalteten sie nun die Krippe.

Viel zu schnell verging der Nachmittag, als es läutete und die Eltern erschienen, um ihre Kinder abzuholen. Viel gab es zu erzählen, aber alle wussten, zum Weihnachtsfest sehen wir uns alle wieder. (Christina Telker)

Der abendliche Gast

 

Es war ein trüber Nachmittag. Den ganzen Tag hielt der Nebel, die kleine Stadt wie unter einer Dunstglocke. Gerade war Charlotte dabei ihre Weihnachtsdekoration durchzusehen, die sie vom Boden geholt hatte. Auch wenn sie schon lange alleine lebte, liebte sie die Gemütlichkeit und vor allem die Adventszeit. Es waren ganz besondere Momente, wenn sie in der Woche vor dem ersten Advent, die wohl sortierten Kartons vom Boden holte, um zu überlegen, wie sie in diesem Jahr ihre kleine Wohnung gestalten würde. Wie viele Erinnerungen hingen an einem jeden dieser Gegenstände. Ob es nun der Leuchter mit den vier Engeln war, den sie zu ihrem zehnten Hochzeitstag, der immer kurz vor dem ersten Advent lag, von ihrem Mann geschenkt bekam. Oder diese kleinen Kurrende Sänger, die noch aus ihrer Kindheit stammten und an die Eltern erinnerten. An diesen kleinen Sängern musste schon in so manchem Jahr das eine oder andere ausgebessert werden, aber umso mehr liebte sie diese Figuren, sie durften nie fehlen.

Plötzlich wurde sie, mitten in ihre Gedanken hinein, von einem Geräusch gestört, das vom Fenster kam. Neugierig geworden trat sie näher heran und entdeckte einen kleinen Vogel, der an ihre Fensterscheiben pickte. „Na du, bist ja ein lustiger Geselle“, redete die alte Frau den kleinen Gast vor dem Fenster an. „Du bist es nicht gewohnt, draußen zu schlafen. Wie ich sehe, bist du ein Wellensittich. Pass auf, ich mache jetzt ganz behutsam das Fenster auf und dann kannst du reinkommen.“ Als ob der kleine Gast die Frau verstanden hatte, blieb er auf dem Fensterbrett sitzen und beobachtete die Angelegenheit. Als das Fenster offen stand, trat Charlotte zurück und gab die Flugbahn frei. Eigentlich hatte sie erwartet, dass der kleine Vogel schnell das Weite suchen würde, aber das Gegenteil war der Fall, er flog tatsächlich durch das geöffnete Fenster ins Zimmer, als ob er erkannt hätte, dass es seine einzige Überlebenschance sei bei dem Wetter. Sofort schloss die alte Dame behutsam das Fenster. „Na, das wird jetzt schwierig mit uns beiden“, redete sie wieder mit ihrem abendlichen Gast. „Ich habe weder einen Käfig für dich, noch Futter, das du sicher dringend brauchst.“ Schnell lief sie in die Küche, um ihre letzten Hafenflocken zu holen. „Begeistert wirst du sicher nicht davon sein, aber im Moment habe ich nichts anderes“, redete sie den kleinen Sänger an. Dann griff sie zum Telefon und rief ihren Enkel an, der nicht weit entfernt am Stadtrand wohnte. „Jonas, stell dir vor, mir ist eben ein Wellensittich zugeflogen. Du hattest doch auch mal einen Vogel. Gibt es den Käfig noch, den du damals hattest?“ „Kein Problem, den gibt es noch. Ich komme gleich einmal vorbei und bringe ihn dir. Auf dem Weg gehe ich noch bei der  Zoohandlung vorbei und bringe dir Sand und Futter mit. Bis gleich.“ Schon hatte der junge Mann aufgelegt. „Na, da hast du aber Glück gehabt, gleich bekommst du einen Käfig und auch Futter“, redete Charlotte wieder mit ihrem gefiederten Freund. Für eine Weile hatte sie ganz ihr Werk vergessen, das sie begonnen hatte. ‚Das kann warten‘, dachte sie jetzt bei sich, als sie die Kartons mit der Weihnachtsdekoration ordentlich aufeinander stellte. ‚Morgen ist auch noch ein Tag. Jetzt muss ich erst einmal einen Platz für deinen Käfig finden‘, überlegte die alte Dame.   

Da läutete auch bereits, ihr Enkel an der Tür und stand mit allem gewünschten davor. „Wie hast du dir das eigentlich gedacht?“, fragte er seine Großmutter. „Soll der Kleine jetzt hier einziehen?“ „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Sicher wird der Kleine vermisst. Ich werde morgen eine Anzeige aufgeben.“ „Gib mir einfach Bescheid, wenn du Hilfe brauchst“, meinte Jonas, gab seiner Großmutter noch einen Kuss auf die Stirn und war auch schon wieder verschwunden. „Bis Sonntag“, rief er noch aus dem Treppenhaus. Nun richtete Charlotte den Käfig ein mit frischem Sand, Wasser und dem richtigen Futter her, dann bereitete sie für sich das Abendbrot. Es dauerte nicht lange und ‚Peterle‘, so nannte Charlotte ihren Gast, hatte sein neues Heim angenommen und begann zu trällern.

Abends, auf der Couch, überlegte sie wie sie wohl die Anzeige formulieren könnte, um auch nicht allzu viel von sich preiszugeben.

Bereits wenige Tage später erschien die Anzeige in der Zeitung. Auf einen Anruf wartete die alte Dame jedoch umsonst. „Keiner vermisst dich“, sprach sie Peterle an. „Ist schon seltsam. Da du dich hier wohlfühlst, ist das aber kein Problem für uns beide. Du bleibst einfach hier.“ Als ob ihr kleiner Freund die alte Dame verstanden hätte, antwortete er auf seine Weise.

Die Adventzeit schritt voran, das Weihnachtsfest war längst vorüber und auch das neue Jahr hielt noch so manches Unbekannte für alle bereit. Charlotte und Peterle hatten sich aneinander gewöhnt. „Wie schön, dass du zu mir kamst“, sagt sie oft morgens zur Begrüßung zu ihrem kleinen Gast, der schon längst kein Gast mehr war.

Wie schnell doch die Zeit verging, nun war es bereits Mitte Januar,  läutete das Telefon und eine fremde Stimme sagte: „Sie haben eine Anzeige aufgegeben, dass ihnen ein Vogel zugeflogen sein. Ich las diese Anzeige erst heute. Gibt es Hansi noch?“ Am liebsten hätte die alte Dame gesagt: „Der Vogel, der wurde schon längst von seinem Besitzer abgeholt.“ Es fiel ihr schwer, die Wahrheit zu sagen, so sehr hing sie nun schon an Peterle, den der Mann am Telefon Hansi nannte. „Dann entschied sie sich und sagte: „Ja, Peterle geht es gut, er ist mir zur lieben Unterhaltung geworden.“ „Darf ich einmal vorbeikommen, damit wir uns unterhalten können und ich ihnen alles erklären kann?“ fragte der alte Herr höflich. „Warum eigentlich nicht“, sagte Charlotte nach einigem Zögern. „Wir sehen uns dann heute zum Kaffee.“ ‚Warum habe ich mir das angetan‘, fragte sich die alte Dame, als sie den Hörer aufgelegt hatte. „Nun heißt es Abschied nehmen“, erzählte sie ihrem Peterle, der wie immer auf das Gespräch antwortete.

Mit bangem Herzen sah Charlotte dem Nachmittag entgegen. Pünktlich läutete es an ihrer Tür. Als der Vogel die Stimme seines Besitzers hörte, begann er sofort zu singen und war fröhlich wie noch nie. Es wurde ein fröhlicher Kaffeenachmittag mit vielen Gesprächen.

Norbert, so hieß der alte Mann berichtete von seinem Krankenhausaufenthalt und darüber, dass er seiner Nachbarin den Schlüssel gegeben hatte um Hansi zu versorgen. Dann, eines Tages hatte sie das Fenster und die Käfigtür in Gedanken gleichzeitig geöffnet. Natürlich war ihr das sehr peinlich und sie besorgte aus der Zoohandlung einen neuen Vogel und meinte ihr Nachbar würde es nicht bemerken, wenn er wieder heim kam. Natürlich konnte das nicht klappen. Wenn Norbert es ihr auch nicht sagte, er sah es am ersten Tag, dass dies nicht mehr sein Hansi war, der da auf der Stange saß. Eines Tages im Januar, als er die alten Zeitungen aus der Zeit seiner Abwesenheit durchsah, entdeckte er die Anzeige und wusste sofort, das konnte nur Hansi sein, von dem da die Rede war. ‚Nur gut, das er überlebt hat‘, freute er sich und nahm sich vor dort anzurufen. „Nun möchten sie bestimmt Peterle, ich meine Hansi“, verbesserte sich Charlotte, „wieder mitnehmen. Wir haben uns gerade so aneinander gewöhnt.“ „Nein, ich lasse Hansi, hier bei ihnen. Was sollte ich denn mit dem jetzigen Vogel machen, der in meiner Wohnung auf mich wartet?“, war die Antwort. Der alten Dame fiel ein Stein vom Herzen. Beim Abschied lud Norbert, Charlotte zum Gegenbesuch ein. Die beiden Alten verstanden sich bestens. Es gab ja so viel zu erzählen aus der Vergangenheit und endlich war da jemand der zuhörte. Als Charlotte, nach einem Jahr, wieder die Wohnung zum ersten Advent schmückte, war diese um einiges größer. Nicht nur zwei Vögel sangen jetzt in einem Käfig ihr Weihnachtslied, auch zwei Menschen freuten sich auf gemeinsame Jahre, die noch vor ihnen lagen.

© Christina Telker

Der Weg zur Krippe

 

Grau in Grau zeigte sich der Novemberhimmel, stürmisch rüttelte der Wind an den einfachen Fenstern des kleinen Hauses, am Waldrand. So hatte sich Tobias den Tag bei seiner Großmutter nicht vorgestellt. Was hatten sie beide alles geplant! Sie wollten einen Spaziergang zur Schonung unternehmen und sich schon mal einen Weihnachtsbaum aussuchen, auf dem Rückweg wollten sie Naturmaterialien zum Basteln von Weihnachtsgeschenken. Die Großmutter hatte immer die besten Ideen. Kerzenständer, Wandbilder, Türkränze, so vieles gab es, auf dass der Junge sich gefreut hatte. Und nun, fiel alles buchstäblich ins Wasser. Selbst wenn der Regen irgendwann aufhören würde, könnte man durch die Nässe nicht in den Wald, da der Regen im Nachhinein noch von den Bäumen tropfte. „Na mein Großer“, fragte in dem Moment die Großmutter, „hast du dir schon etwas überlegt, das wir anstatt unserer Wanderung machen könnten?“ „Fernsehen schauen“, gab Tobias etwas missgelaunt zur Antwort. „Da habe ich aber eine bessere Idee“, antwortete die alte Dame. Nun wurde Tobias hellhörig, auch wenn er sich schwer vorstellen konnte, was man mit diesem Tag in der Wohnung noch so anfangen könnte.“ „Als ich ein Kind war“, begann die Großmutter ihre Erzählung, ging ich für mein Leben gern auf den Boden. Dort gab es so viele Schätze, dass ich stundenlang hätte oben bleiben wollen. Leider durfte ich es nicht, sondern nur so lange, wie meine Mutter dort zu tun hatte, um die Wäsche aufzuhängen.“ „Oh, ja!“, jubelte Tobias, „das wird toll!“ Nun konnte er es nicht mehr erwarten und räumte selbständig den Küchentisch ab, an dem die beiden gerade gefrühstückt hatten. „Na dann komm“, meinte nun die Großmutter.“ Nahm den Bodenschlüssel vom Haken und ging voran.

Was gab es dort nicht alles zu entdecken. Dinge, die sich über Jahrzehnte dort angesammelt hatten. Mit so manchem wusste der Junge nichts anzufangen und musste erst erfragen, was das wohl sei. Geduldig erklärte die Großmutter alles. Das war ja ihr Ziel gewesen, ihrem Enkel auf diese Art einen interessanten Vormittag zu schaffen, wobei sie ihm gleichzeitig einen Blick in die Vergangenheit ermöglichte. Hinten, ganz in der Ecke, stand eine kleine Kommode, mit einer alten Decke abgedeckt, die jetzt das Interesse des Jungen weckte. Er nahm die Decke herunter und öffnete die Tür der Kommode. Alte Fotoalben kamen zum Vorschein, Schreibhefte, selbst aus Omas Schulzeit. Die Großmutter versprach, nach und nach die Alben herunterzuholen, um Tobias ihren Inhalt zu erklären. Dieser kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Im unteren Fach lag ein alter, recht großer Umschlag, den er jetzt entdeckt hatte. Er nahm ihn heraus, um zu sehen, was sich wohl darin befinden würde. Wie staunte er, als Krippenfiguren aus Pappkarton zum Vorschein kamen. „Oma, schau!“, rief er aufgeregt, „eine Krippe.“ Die Großmutter kam näher und schaute lächelnd auf die Pappbögen. „Na, da hast du ja einen richtig tollen Schatz entdeckt. Den werden wir heute gleich mit nach unten nehmen. Immerhin ist morgen der 1. Advent.“

Nun hatte Tobias die Lust am Entdecken auf dem Boden verloren. Das verschob er gerne auf später. „Komm wir gehen herunter!“, bat er jetzt die Großmutter. „Das kann ich mir vorstellen“, meinte diese mit einem Lächeln, „aber ich habe nichts dagegen. Es wird Zeit, dass wir ins Warme kommen. Hier auf dem Boden ist es doch schon recht kalt.“

Unten angekommen, setzte sich Tobias auf die Couch und holte alle Bastelbögen aus dem Umschlag hervor. „Wieso sind manche ausgemalt und andere nicht?“, erkundigte er sich. „Das kann ich dir sagen“, antwortete die alte Dame. „Dieser Bastelbogen stammt noch aus meiner Kindheit. Irgendwie war er mir abhandengekommen. Das war damals eine schlimme Zeit. Ständig mussten wir in den Keller, weil Bombenalarm war. Da kann man schon einmal was aus den Augen verlieren, auch als Kind. Später hatte ich dann wohl andere Dinge im Kopf, denn ich war älter geworden und hatte diesen schönen Bastelbogen mit der Weihnachtskrippe einfach vergessen.“ „Damals hast du die angefangenen Bilder ausgemalt“, stellte der Junge fest. „Genauso ist es“, bestätigte die Großmutter. „Dann werde ich die anderen jetzt noch ausmalen“, entschied Tobias und die Großmutter freute sich an der Begeisterung ihres Enkels. Sie ging zum Schrank und holte ihre Aquarellstifte hervor, die sie sonst nur selbst benutzte. Stolz betrachtete der Junge die Stifte und begann zu malen.

Als beide am Nachmittag beim Kaffee saßen, waren alle Figuren ausgemalt. Nun mussten sie nur noch ausgeschnitten werden. „Das heben wir uns auf für das nächste Wochenende“, entschied die Großmutter. „Gleich kommen deine Eltern und holen dich ab. So hast du gleich noch etwas auf das du dich freuen kannst.“ Vorsichtig packte Tobias die Bastelbögen in den alten Umschlag zurück. „Es wird aber nichts verraten“, bat er nun. „Das soll eine Weihnachtsüberraschung werden. Hiermit war die alte Dame einverstanden.

Als die Eltern mit Tobias am Heiligabend nach der Christmesse zur Großmutter kamen, stand unter dem Weihnachtsbaum die Papierkrippe. „Wo hast du die denn her?“, fragte die junge Frau erstaunt ihre Mutter. Nun erzählte Tobias den Eltern, seine Weihnachtsgeschichte, denn er hatte mit der Großmutter gemeinsam alle Figuren auf dem Weg zur Krippe begleitet und kannte nun die Weihnachtsgeschichte besser als jeder andere.© Christina Telker

 

 

Garten der Poesie 0