21.10.2023
Bratapfelduft
Kennst du noch den Duft des Bratapfels? Als Kinder zog es uns nicht nur in der warmen Jahreszeit ins Freie. Jede Jahreszeit hielt Verlockungen für uns bereit. In der Natur waren wir zu Hause. Durchgefroren kamen wir dann am Abend heim und suchten die Wärme des Kachelofens. Wie schön war es, die Füße an den Ofen zu halten oder uns auf der Ofenbank niederzulassen. Kaum dass wir die Tür öffneten, drang uns der Duft der Bratäpfel, die in der Ofenröhre brutzelten, entgegen. Nun gab es kein Halten mehr. So fein wie heute, mit Vanillesoße, Butter und Zucker im ausgestochenen Apfel, kannten wir unsere Bratäpfel in den 1950er Jahren nicht. Die Äpfel damals waren einfach so wie sie waren, mit Stumpf und Stiel in die Ofenröhre gelegt worden und doch waren es für uns die schönsten Leckereien. Schokolade und Bonbons waren große Seltenheiten, da es Süßes nur auf Zuckermarken gab. So waren für uns Bratäpfel eine besondere Leckerei. „Kinder kommt und ratet, was im Ofen bratet?“, dieses schöne Kinderlied, nahm in solchen Momenten Gestalt an.
Heute gibt es eine Vielzahl von Rezepten. Die Bratäpfel schmecken nach wie vor jeder Generation, aber so lecker wie aus der Ofenröhre schmecken sie aus der heutigen Backröhre oder der Mikrowelle lange nicht. Schade, dass es so gut wie keine Kachelöfen mehr gibt. Sie bereiteten Mühe und Arbeit, hieß es doch erst die Kohlen einzukellern, später dann im Winter morgens vor der Arbeit den Ofen zu heizen, um abends nachlegen zu können und doch war es nie so warm wie heute
und doch war die Wärme, die uns umgab, eine andere. Nichts ging über die Ofenbank. Erinnerungen steigen in uns empor, die uns stets begleiten werden.
In Vaters Fußsuren
Dies war ein geflügelter Begriff vergangener Jahrzehnte, ganz besonders in Handwerksberufen. Wie stolz waren Vater und Großvater, wenn der Sohn die Werkstatt oder auch die Bäckerei übernehmen konnte. Man legte großen Wert auf einen Sohn, als Nachkommen. War noch im 19. Jahrhundert ein Handwerkbetrieb zu vererben, gehörte es zur Pflicht des Sohnes, in Vaters Fußstapfen zu treten und den gleichen Beruf zu erlernen. Das war nicht immer leicht und auch längst nicht immer mit den Interessen der nachwachsenden Generation verbunden. Auch wenn Väter es heute noch gerne sehen, dass ihre Söhne die Familientradition fortsetzen, was verständlich ist, so ist es den Kindern doch meist frei gestellt, für welchen Beruf sie sich entscheiden. Sich ausprobieren ist angesagt. In vielen Elternhäusern wird dies unterstützt.
Ähnlich ist es auch mit dem Glauben. Unser himmlischer Vater macht uns das Angebot, zu ihm zu kommen, als seine Kinder, um ihm nachzufolgen. Wie wir uns jedoch entscheiden, ist uns freigestellt. Ganz gleich, ob wir erst einmal unsere Erfahrungen sammeln wollen und meinen, ganz ohne ihn auszukommen, auf unseren eigenen Wegen, oder ob wir in späteren Lebensjahren ganz neu von ihm hören und uns für den Weg mit Gott entscheiden. Er stellt es uns frei, ganz ohne Zwang. Wie schön ist es zu wissen, die Türen des Vaterhauses stehen immer offen für uns, seine Kinder. Viel hing in früheren Jahrhunderten davon ab, wie ich als Jugendlicher das Vaterhaus verließ. Es gab Elternhäuser, die keine Vergebung kannten, in denen die Kinder genau wussten, entscheide ich mich gegen den Willen des Vaters, habe ich für immer mit ihm gebrochen. Nie hätte sich die Mutter gewagt, sich gegen den Vater zu stellen. Die Meinung des Vaters war Gesetz. Gut, dass dies heute anders ist. Gut, dass bei Gott, vor allem die Liebe zu uns zählt.
Im Vaterhaus
Im Vaterhaus bin ich geborgen,
dort find ich Halt, dort find ich Ruh.
Im Vaterhaus ist meine Heimat,
hier ist Geborgenheit, denn ich gehör dazu.
Ich weiß, die Türen stehen für mich offen,
ich find den Weg selbst in der Dunkelheit.
Im Vaterhaus sind Spuren meiner Kindheit,
ja hier bin ich geliebt, bin ich daheim.
Drum komm ich gerne, denn hier gehör ich hin,
wir sprechen beide ja die gleiche Sprache.
Ja, selbst wenn ich mal ganz am Ende bin,
komm ich hierher, ja, das ist mein Gewinn.
Ferien im Pfarrhaus
Eine Kindheitserinnerung
In den 1950er Jahren konnten sich die wenigsten Menschen einen Urlaub leisten. Man fuhr, wo es möglich war, zu Verwandten. Mehr gab die Haushaltskasse nicht her. Wie gut hatte ich es da, konnte ich doch in jedem Jahr acht Wochen Sommerferien mit meiner Mutter genießen. Nein, nicht etwa in einem Ferienheim, sondern in einem Pfarrhaus bei meinen Großeltern. Bereits bei der Heimfahrt Ende August freute ich mich schon auf den nächsten Sommer und hatte lange mit den Abschiedstränen zu kämpfen. Diese Wochen in jedem Sommer waren für mich stets etwas Besonderes. Wenn ich auch in einem christlichen Elternhaus aufwuchs, mit einer täglichen Morgen- und Abendandacht, so war dieses Leben im Pfarrhaus der damaligen Zeit, auf dem Dorfe, eine ganz eigene Welt für sich.
In der Woche sah ich meinen Großvater nicht oft tagsüber, nur selten durfte ich das Amtszimmer betreten. Dafür gehörte der Samstagnachmittag der Familie. Nach der Kaffeetafel, der ein gemeinsamer Waldspaziergang vorausgegangen war, begaben sich alle Familienmitglieder in den Gemeindesaal, der für jedes Wochenende eine andere Unterhaltung bot. An manchem Nachmittag führte mein Großvater unterhaltsame Filme vor. Das Fernsehen kannten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. So waren die Filme ein einmaliges Erlebnis für mich im Vorschulalter, dass es nur bei den Großeltern gab. An anderen Samstagen spielte die Familie gemeinsam. Wir stellen lebende Bilder dar, sangen gemeinsam Kirchen- und Volkslieder, die meine Tante auf dem Klavier begleitete. Die Ideen und Vorschläge für diese besonderen Familiennachmittage schienen nie auszugehen. An diesem einen Nachmittag der Woche hatte jeder Zeit, nur für seine Lieben. Unter den vier Schwestern, von denen eine meine Mutter war, war ein Zusammenhalt, wie ich ihn in meinem späteren Leben nirgends mehr fand.
Der Höhepunkt dieser Samstage war für mich, dem einzigen Kind in der Runde, mit meiner Tante in die Kirche zu gehen, um die Lieder für den Sonntagsgottesdienst an die Liedtafeln zu stecken. Dies brachte einen kleinen Vorgeschmack auf den Gottesdienst am Sonntag, in unserer kleinen Dorfkirche, mit ihrem Sternenhimmel über dem Altarraum. Auch wenn ich es von klein auf nie anders kennengelernt hatte, als am Sonntag den Gottesdienst zu besuchen, so war es doch für mich stets eine große Freude, die mich mit Stolz erfüllte, wenn ich meinen Großvater vorn auf der Kanzel sah und ihm zuhören durfte, wie er Gottes Wort verkündigte.
Der Zusammenhalt, den ich in der Dorfgemeinschaft erlebte, prägte mein Leben. Damals war das Gehalt des Pfarrers, in der DDR, mehr als dürftig. So war es Sitte, dass nach Familienfeiern, wie Taufen, Eheschließung oder anderem, dem Pfarrer, in dem Falle meinem Großvater, diverse Lebensmittel aus eigener Schlachtung oder Ernte, als Dank gebracht wurden. Wer jetzt denkt, da konnte ja der Pfarrer recht gut leben, der irrt. Zumindest lernte ich dies nie bei meinen Großeltern kennen, dafür jedoch, zu teilen. Wenn einer die Bedürftigen des Dorfes kannte, dann war es der Pfarrer und dieser hatte nicht nur ein offenes Ohr für diejenigen, die an seine Tür klopften, sondern auch für die, die nicht anklopften, jedoch Hilfe ebenso nötig hatten. So sorgte meine Großmutter für eine gerechte Verteilung der Gaben.
In dem riesigen Garten, der das Haus umgab, baute meine Großmutter, ohne fremde Hilfe, all das an, was im Winter Töpfe und Pfannen füllen sollte. Die Arbeit in Haus und Garten riss für diese fleißige Frau nie ab. So wurde der Samstagvormittag am Wochenende, zu dem sich im Sommer die Schwestern meiner Mutter im Elternhaus trafen, zur Hilfe genutzt. Viel wuchs uns auch aus dem nahe gelegenen Wald in den Kochtopf. Es wurde eingeweckt, ohne Ende. Heidelbeeren und Pfifferlinge mussten nicht nur gepflückt und gesammelt werden, sie wollten auch geputzt und verarbeitet werden.
Mit meinem Großvater zog ich, in seiner knappen Freizeit, mit dem Handwagen in den Wald zum Holz sammeln. Von ihm lernte ich, mit der Säge umzugehen und Holz zur Miete aufzustapeln. War er auch von Amtswegen Pfarrer, so war er doch auch ein geschickter Kunstschmied und fertigte die schönsten Dinge an, wie Blumenständer, Briefbeschwerer oder Blumenampeln. Die Verzierung seiner Werke war sehr filigran.
Heute hat sich sicher auch das Leben im Pfarrhaus verändert. Für mich werden es immer unvergessliche Erinnerungen bleiben.