22.12.2023

 

Wie der kleine Stern einen Zacken verlor

 

Heute wollten die dicken Wolken sich wieder einmal gar nicht lichten. Das ärgerte den kleinen Stern doch gar zu sehr. Immer wieder versuchte er sich an den dicken Wolken vorbeizuzwängen, doch es gelang ihm nicht. Der kleine Stern wartete schon jeden Tag ungeduldig auf den Abend. Denn jetzt kam seine Zeit. Frau Sonnen war schlafen gegangen und Vater Mond mit seinen Sternen hatten den Himmel für sich. Der kleine Stern fand es mächtig interessant, das Leben auf der Erde zu beobachten. Viel gab es dort zu betrachten. Gerne setzte er sich auch mal auf einen Mondstrahl und flog so zur Erde herunter. Er schaute dann bei Anja oder Gunter ins Fenster und lauschte der Gute-Nacht-Geschichte, die die Eltern erzählten. Der kleine Stern musste jedoch sehr aufpassen, denn schnell wanderte Vater Mond weiter und das durfte er nicht verpassen. Da er sonst verloren war und auf der Erde bleiben musste, was für die Sterne bedeutet, dass sie ihre Leuchtkraft verlieren und sterben müssen. So achtete der kleine Stern immer darauf, wo sich Vater Mond gerade befand. ‚Wenn doch nur diese dummen Wolken endlich weiter wandern würden‘, dachte er so bei sich. Immer wieder versuchte er eine kleine Ritze zwischen den dicken Wolken zu erhaschen. Und da… da war es plötzlich geschehen. Einer seiner Zacken hatte sich in der dicken Wolke verfangen. Der kleine Stern zerrte und zog, so gut er es nur konnte und plötzlich… brach der Zacke ab, der sich verfangen hatte. „Au!“, schrie der kleine Stern, „was war denn das?“ Und da sah er die Bescherung. Anstatt sechs Zacken besaß er nur noch fünf. Was würde nur Vater Mond sagen, wenn er ihn so sah. Mit gesenktem Kopf trabte er in die hinterste Ecke des Himmels. Vater Mond war gerade dabei, seinen abendlichen Streifzug am Himmel zu beginnen. Da sah er, dass die dicke Wolke, die sich vor ihm aufgerichtet hatte, ein klein wenig leuchtete. ‚Komisch‘, dachte der Mond, „seit wann leuchten die Wolken. Sie sind doch sonst immer dunkel?‘ Das musste er sich genauer betrachten. So ging er noch etwas näher heran und was er da sah, erschreckte ihn mächtig. Sofort rief er alle Sterne zusammen, um zu sehen, wer von ihnen seinen Zacken verloren habe. Auch der kleine, neugierige Stern ging, aber er stellte sich in die allerletzte Reihe. Vater Mond konnte ihn so nicht sehen. Da wurde der Mond richtig wütend: „Blitz und Donner!“, tobte er, „wer von euch hat seinen Zacken in der Wolke stecken gelassen?“ Mit Tränen in den Augen näherte sich der kleine Stern dem Mond. „Ach, du liebe Zeit, wie siehst du denn aus?“, fragte jetzt recht milde Vater Mond. „Ich, ich, wollte nur einmal zur Erde schauen und dachte, da wäre eine Lücke und schon brach der Zacken ab“, stotterte der kleine Stern. „Und was machen wir nun?“, fragte der Mond, während die anderen Sterne meist ganz betreten dastanden und auf den kleinen Stern schauten. Ein jeder Stern stellte sich vor, wie es ihm wohl ginge, wenn er einen Zacken verloren hätte. Bis Vater Mond wieder die Stille unterbrach: „Nun pass einmal auf“, wandte er sich an den kleinen Stern. Wir gehen jetzt gemeinsam zu der Wolke, ich werde sie ein wenig mit meinem Mondstrahl kitzeln, damit sie lachen muss. Das ist für Wolken, wie weinen, sie beginnen zu regnen. Dadurch wird die Wolke immer dünner und wird deinen Zacken verlieren. An dir ist es jetzt, aufzupassen und den Zacken aufzufangen. Hast du mich verstanden?“ „Ja, ich habe verstanden, Vater Mond“, antwortete der kleine Stern. So gingen beide zur Wolke und der kleine Stern stellte sich seitlich, um gut aufpassen zu können. Plötzlich merkte der Stern, dass es in der Wolke ruckelte und zuckelte und plumps, da fiel sein Zacken heraus. Er fiel und fiel immer tiefer und der kleine Stern segelte so schnell er konnte hinterher. Fast hatten sie die Erde erreicht, als der Stern seinen Zacken zu fassen bekam. Schnell setzte er sich auf den Mondstrahl und ließ sich von Vater Mond nach oben ziehen. „Nun leg dich hin und gib mir den Zacken“, forderte der Mond den kleinen Stern auf. Vater Mond legte den Zacken genau an die Stelle, wo er kurz zuvor abgebrochen war, fuhr einmal mit seinem Mondlicht darüber und schon war der kleine Stern wieder ganz und hatte seine sechs Zacken, wie es sich für einen richtigen Stern gehörte. Als der kleine Stern noch sein neues, strahlendes Sternenkleid bewunderte, klangen von der Erde her Glocken bis zum Himmel hinauf. „Es ist Weihnachten!“, sagte Vater Mond, „nur zu Weihnachten haben meine Strahlen die Möglichkeit zu heilen, so wie bei dir eben, mein kleiner Stern.“ „Danke!“, sagte glücklich der kleine Stern und alle Sterne tanzten um ihn, zum einen, weil er geheilt war, zum anderen, weil Weihnachten war. Das größte Fest am Sternenhimmel. Alle dachte an den einen großen Stern, damals in Bethlehem.

© Christina Telker

 

Drei Engel in der Weihnachtszeit

 

Bekanntlich ist die Weihnachtszeit in besonderem Maße die Zeit der himmlischen Heerscharen.  So nahmen sich die drei Engel, Daniel, Manuel und Samuel vor, zu diesem Christfest einigen Menschen ganz persönlich eine Freude zu bereiten. Dies erforderte jedoch bereits im Vorfeld einiges an Vorbereitung, um am Weihnachtsabend gezielt einige Besuche abstatten zu können. So schauten sie in der Vorweihnachtszeit in die Wohnungen der Menschen. Sie kehrten bei Einsamen und in Familien als unsichtbarer Gast ein. Sie flogen über Städte und Dörfer, um die Menschen in ihrer Geschäftigkeit zu erleben. Oftmals tauschten sie sich über ihre Begegnungen und Erlebnissen auf der Erde aus, wenn sie von ihren Erkundungsflügen zurück im Himmel waren.

Der Heiligabend rückte näher und immer noch waren die drei sehr unentschlossen. Ihre Zeit auf der Erde, an diesem einen Abend, würde nicht ausreichen, um überall dort Weihnachtsfreude zu bringen, wo sie dringend benötigt wurde. Längst hatten sie erkannt, dass das Leben auf der Erde nicht so friedlich und schön war, wie die weihnachtlichen Melodien, die bis in den Himmel empor drangen. Viele Menschen waren verzweifelt, trotz oder gerade in dieser dunklen Jahreszeit, in der es auf das Fest der Feste zuging. Einsame fühlte sich doppelt einsam, Verzweifelten fehlte die Zuversicht, anderen fehlte der Mut schwere Situationen durchzustehen. Manches Mal waren die drei so frustriert nach ihren Ausflügen zur Erde, dass sie ihr Vorhaben am liebsten ganz aufgeben wollten. Doch immer wieder machten sie sich gegenseitig Mut. Besser einige wenige zu erfreuen, als gar nichts zu tun, sagten sie sich dann.

Am Morgen des Heiligen Abends war ihre Aufregung kaum noch zu verbergen. Man sah ihnen förmlich an, daß etwas in der Luft lag. Doch schnell verlor man sie aus dem Blickfeld, denn an diesem besonderen Tag herrschte stets große Aufregung im Himmel. Jeder Engel hatte seine Aufgaben, die ihn voll ausfüllten. Als alle anderen beschäftigt waren, schwebten unsere drei Engel, in der anbrechenden Dämmerung hinab zur Erde.

Daniel flog noch eine Runde über der Stadt, die er sich auserwählt hatte und wollte gerade bei einer alten Dame einkehren, die in Gedanken versunken am Fenster saß, als er einen Mann auf der Brücke stehen sah. Schnell flog er zu ihm, setzte sich auf das Brückengeländer und lächelte ihn an. Trotz seiner Verzweiflung spürte der junge Mann plötzlich eine Veränderung in sich. Ihm wurde warm ums Herz. ‚Was ist mit mir los, fragte er sich. Mein Entschluss stand fest und nun? Bin ich etwa zu feige und wankelmütig geworden‘, überlegte er. Doch das Gefühl in seinem Innern ließ sich nicht verdrängen. Auf einmal musste er an seine Eltern denken und er sah Wege, die ihn aus seiner Verzweiflung hinausführten. Ihm kamen Gedanken, die er zuvor nicht kannten, die ihm zeigten, wie er seinen Weg ändern könnte. Mutig drehte er um und ging heim. Als seine Frau ihn ins Zimmer treten sah, rief sie: „Wo bist du nur gewesen, ich haben mich so gesorgt! Nur gut, dass du endlich da bist!“ Sein kleines Töchterchen kam auf ihn zu gerannt und umarmte ihn. Da erkannte der junge Mann, daß Weihnachten war, das Fest der Liebe und das sie gemeinsam ihre Situation lösen würden.

Daniel flog weiter und besuchte die alte Dame. Es wurde Zeit auch ihr die Weihnachtsbotschaft zu bringen. Mit ein paar liebevollen Gedanken forderte er sie auf, dem Glockenklang zu folgen und in die Kirche zu gehen. Es war Weihnachten. ‚Eigentlich wollte ich heute nicht mehr aus dem Haus gehen‘, dachte die Frau bei sich. Doch als sie auf dem Weg zum Gotteshaus ihre alte, längst vergessene Freundin Gerda traf, war für beide Frauen das Fest der Liebe gekommen. Sie würden den Abend, nach dem Gottesdienst, daheim gemeinsam verbringen, das nahmen sie sich vor.

Zufrieden kehre Daniel in sein himmlisches Reich zurück.

Auch Manuel war gerade eingetroffen, der ebenfalls viel zu berichten hatte. „Eigentlich dürften wir nicht nur am Weihnachtsabend zu den Menschen fliegen. Es gibt soviel zu tun. Wir müssten unbedingt öfter einmal den Weg zur Erde finden“, meinte er. Was Daniel nur bejahen konnte. Gemeinsam warteten sie nun auf ihren Freund Samuel, der anscheinend immer noch alle Hände voll zu tun hatte.

Dieser war indessen auf einem Bauernhof eingekehrt. ‚Wie zur Zeit, Jesu‘, dachte er bei sich. Ochs und Esel standen friedlich im Stall und erfreuen sich an einer gefüllten Futterkrippe. Dann sah er ins Fenster und merkte, dass die Eltern nicht einmal die Zeit für den Kirchgang erübrigen konnten, da sie vor Arbeit nicht aus noch ein wussten. Doch als sie am Abend zur Ruhe kamen, setzten sich beide an den Kachelofen und der Vater schlug das Evangelium auf und las. Trotz der vielen Arbeit war nun auch hier die Weihnachtsbotschaft eingekehrt. Samuel flog weiter und entdeckte noch Licht in einem Fenster. Hier wohnte die kleine Hanne. Sie war so aufgeregt, von all dem, was der Abend gebracht hatte, dass sie nicht einschlafen konnte. Heimlich war sie noch einmal ins Weihnachtszimmer geschlichen, hatte das Licht eingeschaltet und saß träumend unter dem Christbaum. ‚Sie wird sich erkälten‘, dachte Samuel bei sich. Mit seinen Flügeln hob er behutsam das träumende Kind empor und legte es in sein Bett. Leise, kaum hörbar summte er Weihnachtlieder, die Hanne endgültig beruhigten und in süße Träume mitnahmen.

Jetzt war es auch für ihn Zeit zum himmlischen Fest zu erscheinen, denn auch bei den Engeln wurde die Christnacht auf ganz besondere Weise gefeiert. Man gedachte der Engel, die damals in Bethlehem die Botschaft von Jesu Geburt verkündigten. Nie wurden sie müde werden, diese Botschaft in jedem Jahr neu zu hören und weiterzugeben.

Garten der Poesie 0